Mittelbayerische Zeitung: Washington treibt Keil in die EU: Das Weiße Haus würde einen ungeregelten Brexit begeistert unterstützen/Leitartiekl von Jochen Wittmann
Regensburg (ots)
Die USA unterstützen Großbritannien bei einem harten Brexit. Man werde dem Königreich bei einem ungeregelten EU-Austritt mit Begeisterung helfen, hatte John Bolton, der Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, bei einem zweitägigen Besuch in London versprochen. Bolton erklärte: "Wir denken, dass ein erfolgreicher Brexit sehr in unserem eigenen Interesse steht." Sollte die britische Regierung entscheiden, ohne einen Deal auszutreten, "werden wir dies enthusiastisch unterstütze" Bolton bietet den Briten eine Serie von Mini-Deals an, die man im Unterschied zu einem umfassenden Freihandelsabkommen, dessen Verhandlung Jahre dauern würde, sehr schnell vereinbaren könnte. Zügige bilaterale Abkommen wären beispielsweise in Sektoren wie der Automobilbranche möglich, während umstrittenere Bereiche wie Landwirtschaft und Lebensmittel erst einmal ausgespart werden sollten. "Wir wollen sehr schnell loslegen", sagte Bolton. "Wir sind bereit zu verhandeln und sehen dies auf der Schnellspur." Die USA wittern im Regierungswechsel in London eine strategische Chance. Der neue Premierminister Boris Johnson, der seit Amtsantritt vor drei Wochen noch keine Anstalten gemacht hat, um auf den Kontinent zu reisen und dort europäische Amtskollegen zu treffen, pflegt dagegen regen Kontakt mit US-Präsident Donald Trump. "Fünf, sechs Mal" hätten die beiden schon miteinander telefoniert, feierte Bolton den "Traumstart" zwischen den Regierungschefs. Washington sieht jetzt die perfekte Gelegenheit für eine Neuordnung in der Dreiecksbeziehung zwischen USA, Großbritannien und der EU. Denn sollte es, was sich abzeichnet, zu einem No-Deal-Brexit kommen, würde das zu einem diplomatischen Bruch Großbritanniens mit der EU führen, das Königreich isolieren und in eine Lage bringen, wo es dringend neue Allianzen braucht. Der Sicherheitsberater besprach mit Boris Johnson zwei kritische strategische Themen, bei denen die USA den britischen Partner gern auf ihre Seite ziehen würden: Iran und China. Bisher vor kurzem stand Großbritannien beim Streit über das Atomabkommen mit dem Iran noch geschlossen Schulter an Schulter mit Deutschland und Frankreich und hatte die amerikanische Position des "maximalen Drucks" auf den Iran abgelehnt. Unter dem neuen Außenminister Dominic Raab wurde die Linie aufgeweicht, nachdem London in der Tanker-Krise auf die US-Position zuging und sich jetzt bei der amerikanischen Marine-Mission im Persischen Golf beteiligt. Auch bei der Beteiligung des chinesischen Technologiekonzerns Huawei beim Ausbau des britischen 5G-Netzwerks übt Washington Druck auf London aus. Die USA halten Huawei für ein Sicherheitsrisiko und drohen ihren Verbündeten bei den "Five Eyes", der Allianz von Geheimdiensten der USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland, mit Sanktionen, sollte man mit Huawei zusammenarbeiten. Großbritannien hat in den letzten Jahren enge wirtschaftliche Beziehungen zu China aufzubauen versucht und muss sich jetzt überlegen, ob es den asiatischen Partner vor den Kopf stoßen will, um gut Wetter in Washington zu machen. Von einem "strategischen Schwenk" sprach am Dienstag die "Times": Großbritannien müsse entscheiden, ob die bisherige außen- und sicherheitspolitische Beziehung mit der EU beibehalten werden soll. "Für die USA", argumentierte zudem das Blatt, "ist ein Handelsabkommen die Gelegenheit, einen weiteren Keil zwischen Brüssel und Großbritannien zu treiben, indem man das Königreich in Richtung einer engeren Angleichung an die US-Standards treibt und den Status der EU als globale regulatorische Supermacht schwächt." Die Zeichen deuten darauf, dass sich Großbritannien auch in der transatlantischen Beziehung von der EU abkehren wird.
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