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Noch 110 Tonnen CO2 pro Nase
Seit 30 Jahren wissen wir, dass unser Lebensstil die Erde aufheizt. Nun wird es ernst. Unsere Kinder werden anders leben müssen.

Regensburg (ots)

Kohlendioxid ist ein Segen. Ohne dieses Gas gäbe es kein Leben auf der Erde. Doch die Dosis macht das Gift. Und wir Menschen erhöhen die Dosis ständig. Längst sind wir schon im "giftigen Bereich" und im Klimawandel unterwegs. Die Gefahr ist abstrakt. Wenn es darum geht, Kohlendioxid wahrzunehmen, versagen unsere Sinne. Das erklärt ein bisschen unsere Maßlosigkeit. Die 50 oder 60 Liter Sprit im Autotank lösen sich beim Fahren einfach "in Luft" auf. Würden wir unsere Mobilität noch auf dem Rücken von Pferden realisieren, dann sähen wir die Folgen. Vor Beginn des Autozeitalters gab es etwa vier Millionen Pferde im Land. Heute sind es 47 Millionen Autos. Hat jeder Pkw im Durchschnitt 100 Pferdestärken, dann wären in Deutschland 4,7 Milliarden Pferde unterwegs. Ein lustiges Bild, sich vorzustellen, wie hoch die Pferdeäpfel als Mobilitätsabfall auf den Autobahnen liegen würden, die dann ständig geräumt werden müssten. Nur wohin? Wie praktisch, dass der Mobilitätsabfall CO2 sich einfach von selbst in "Luft" auflöst. Zumindest meinen wir das. Dabei geht ja nur rund ein Fünftel unseres Kohlendioxid-Ausstoßes auf das Konto des Verkehrs. Etwa elf Tonnen Kohlendioxid produziert jeder Bundesbürger im Durchschnitt jährlich. Für etwa 110 Tonnen CO2 pro Kopf sei noch Platz in der "Deponie", der Atmosphäre, rechnet der Regensburger Energieexperte Prof. Michael Sterner vor. Wenn wir so weitermachen, ist unser Budget in neun Jahren ausgereizt. Dann sind wir an der "Brandmauer" angelangt. Was darüber hinausgeht, wird die Erde um mehr als zwei Grad erwärmen. Dann werden irgendwann Kippschalter zu fallen beginnen und Prozesse in Gang kommen, die nicht mehr zu stoppen sind und eine irreversible weitere Erwärmung unseres Planeten zur Folge haben. Das Auftauen der Permafrostböden ist solch ein irreversibler Prozess. Sie emittieren das Klimagas Methan. Und wir werden diese Böden nie wieder einfrieren können. Wir sind also nahe an dem "point of no return" angelangt, warnt die weltweite Gemeinschaft der Klimawissenschaftler nahezu einhellig. Wie wollen wir uns dann unsere 110 Tonnen CO2, die uns pro Kopf noch zustehen, einteilen? Mit drei Tonnen jährlich zu leben wäre ein Ziel. Die Inder schaffen das gerade noch. Nur um mal ein paar Schuhgrößen an ökologischen Fußabdrücken zu nennen: Der Flug von München nach New York und zurück (13 000 Kilometer) bedeutet eine CO2-Emmission von 2,1 Tonnen pro Nase. Ein Pkw sollte derzeit im Mittel nicht mehr als 130 Gramm CO2 auf einen Kilometer Fahrt in die Luft pusten, also 13 Kilo pro 100 Kilometer. Oder auf unseren eigenen Energiehunger grob umgerechnet: Eine Portion Rindfleisch bringt es auf etwa drei Kilo CO2, eine Portion Käsespatzn auf ein Kilo CO2, eine Portion Basmatireis mit Gemüse auf ein halbes Kilogramm Kohlendioxid. Wir wissen seit etwa 30 Jahren, dass sich die Erde durch unser Tun aufheizt. Doch wir haben seitdem ungerührt Jahr für Jahr mehr Kohlendioxid emittiert und es uns gut gehen lassen. Diesen Lebensstil werden unsere Kinder nicht mehr pflegen können. Die Bedrohung durch den Klimawandel geht der Jugend unter die Haut. "Es geht um die menschliche Existenz, nicht ums Schuleschwänzen", sagt Prof. Sterner mit Blick auf die Fridays-For-Future-Bewegung und bittet, die Sorgen und Ängste der jungen Menschen ernst zu nehmen. Diese Sorgen wiegen schwer, sie produzieren Existenzängste. Doch es ist tröstlich, dass vieles in Gang kommt. Schon gründen sich begleitend zur Fridays-For-Future-Bewegung der Jugend auch Parents for Future oder Docs for Future und Scientists for Future, um Fakten zu sammeln und wachzurütteln. Denn eines ist sicher: Der Klimawandel verändert unser Leben. Wir werden künftig nicht nur auf das Weltklima aufpassen müssen, sondern angesichts von Millionen Klimaflüchtlingen auch auf das Klima unter uns Menschen, auf Toleranz, Empathie, unser Rechtssystem und unsere Demokratie.

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