Merkel macht Corona zur Chefsache
Die Kanzlerin mahnt zu Besonnenheit im Umgang mit der Pandemie. Den großen Paukenschlag vermeidet sie klugerweise. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
In der dramatischen Finanzkrise 2008 versprach Angela Merkel den Sparern die Sicherheit ihrer Einlagen, obwohl sie das gar nicht garantieren konnte. Ihr Spruch wirkte dennoch beruhigend - für Sparer und Märkte. Am Mittwoch hat die Kanzlerin, die sich längst im Corona-Krisenmodus befindet, auch öffentlich an die Solidarität, die Vernunft und an das Herz der Menschen appelliert, die Herausforderung durch das Virus gemeinsam zu meistern. Ein solches Wort der Regierungschefin war notwendig, um Aufregungen und Ängste in der Bevölkerung aufzufangen, wenigstens etwas einzudämmen. Merkel hat sich das Gespür für politische Führung, zumal in Krisenzeiten, auch im Herbst ihrer Kanzlerschaft bewahrt. Zugleich jedoch war ihr gestriger öffentlicher Auftritt in Berlin zur Corona-Krise überfällig. Merkels Kritiker wetzten bereits die Messer, weil sie bislang kaum sichtbar agierte. Die unzähligen Krisenrunden hinter verschlossenen Türen wollen diejenigen, die Merkel lieber heute als morgen aus dem Kanzleramt jagen würden, eher vergessen machen. Man konnte gar den Eindruck gewinnen, dass der omnipräsente Jungspund-Minister Jens Spahn - nicht unbedingt Merkels größter Fan - der oberste Krisenmanager des Landes ist. Angesichts der riesigen Herausforderung durch die beginnende Corona-Pandemie im Land werden frühere politische Zwistigkeiten ganz klein, werden nahezu überrollt von dem sich ausbreitenden Virus. Es war wohltuend, dass die Langzeit-Kanzlerin gestern nicht mit dem großen Paukenschlag, nicht mit dem Wir-schaffen-das-Befreiungsschlag aufwartete. Die ausgebildete Physikerin blieb eher vorsichtig, besonnen. Merkel stützte sich in ihrem Urteil, ihrem Krisenhandeln eher auf die Wissenschaft. Und das ist gut und richtig so. Die Einschätzungen der Experten, Mediziner, Virologen, des Robert-Koch-Instituts sind fundiert und ernst genug. Da braucht es nicht noch des Alarmismus oder aber der Beschwichtigungen aus der Politik. Dass derzeit besonders laut nach einer Reform des Föderalismus im Gesundheitssystem gerufen wird, ist durchaus nachvollziehbar. Wenn jeder Amtsarzt, jede Gesundheitsbehörde mehr Macht hat als der Bundesgesundheitsminister, dann gehört dieses System zu Recht auf den Prüfstand. Doch eine solche tiefergehende Reformdebatte gehört nicht zum jetzigen Krisenmanagement. Jetzt muss rasch und wirksam gehandelt werden. Und in der gegenwärtigen Krisenbewältigung funktioniert das vielgliedrige System auch - weitgehend - gut. Den "Empfehlungen" des Bundesgesundheitsministers wird in der Regel Folge geleistet, von Flensburg bis Konstanz. Das oberste Ziel bei allen Maßnahmen gegen die ansteckende Krankheit ist jetzt, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Völlig zu stoppen ist sein Vormarsch nicht. Doch wir können Zeit gewinnen. Je langsamer die Infektionen voranschreiten, umso besser sind sie zu beherrschen. Um so besser können etwa die Kliniken infizierte Risikopatienten - das sind vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen - intensivmedizinisch versorgen. Ärzte und Schwestern leisten jedenfalls Großartiges. Danke! Die Corona-Krise verlangt allerdings auch von jedem Einzelnen von uns, dass er zumindest teilweise auf Liebgewordenes verzichtet. Wenn Fußballspiele ohne Zuschauer ausgetragen werden müssen, wird das bei den Fans bitter aufstoßen. Das Gleiche gilt für Konzerte und andere Großveranstaltungen, die ausfallen müssen, weil bei ihnen das Ansteckungsrisiko besonders hoch ist. Gefragt ist jetzt ein hohes Maß an Einsicht, an Verantwortungsbewusstsein auch für die Mitmenschen, von dem Merkel gestern sprach. Damit kann diese Krise bewältigt werden.
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