Die Stunde des Staates
Mit enormer Geschwindigkeit hat die Bundesregierung ein milliardenschweres Hilfsprogramm verabschiedet. Nun muss das Geld sehr schnell fließen. Von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Dieser Bundestag ist das - mit Abstand - beste Parlament, das man sich in der Corona-Krise nur wünschen kann, könnte man jetzt kalauern, wenn die Situation nicht so verdammt ernst wäre. Allerdings hat der ausgedünnte und peinlich auf räumlicher Distanz zwischen den Abgeordneten bedachte Bundestag gestern wirklich Historisches geleistet. Er hat in großem Einvernehmen, ohne das sonst übliche Parteiengezänk, grünes Licht für milliardenschwere Hilfspakete zur Linderung der Folgen der Corona-Krise gegeben. Es bleibt festzuhalten: Regierung und Parlament haben in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg geliefert. Ob das freilich ausreichen wird, um das Land, seine Menschen und Unternehmen aus dem tiefen Tal wieder herauszubringen, muss sich allerdings erst noch zeigen. Jetzt schlägt die Stunde des Staates. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Wozu unter normalen Bedingungen Monate gebraucht werden, reichten nun wenige Tage und Nächte aus. Und, fast im Vorbeigehen, wurde die Schwarze Null - seit Jahren nahezu ein Heiligtum der deutschen Haushaltspolitik - über den Haufen geworfen. Dafür mussten Verfechter eines ausgeglichenen Haushalts, Bundeskassenwart Olaf Scholz gehört dazu, über ihren Schatten springen. In dieser Krise müssen auch scheinbar eherne Grundsätze gebrochen werden. Um es militärisch auszudrücken: Der Vizekanzler hat die Bazooka in Stellung gebracht und das Parlament hat erlaubt, das damit auch gefeuert werden darf. Allein für das laufende Haushaltsjahr genehmigte der Bundestag nun zusätzliche Gelder, also neue Schulden, die fast der Hälfte des normalen Bundeshaushalts entsprechen. Aber was ist in diesen aufgewühlten Zeiten noch normal? Weitere zig Milliarden stehen für Hilfskredite für die Stabilisierung der Wirtschaft bereit. Es kann einem schwindlig werden. Die sprichwörtliche schwäbische Hausfrau dürfte angesichts dieser unfassbaren Summen schier verzweifeln. Freilich ist das, was gestern beschlossen wurde und am Freitag noch von der Länderkammer abgesegnet werden muss, nur die eine Seite der Medaille. Der Bund ist gewissermaßen in Vorlage gegangen. Nun muss dieses Geld allerdings auch sehr schnell fließen. Die Zeit drängt. Es gibt bereits erste Entlassungen in Unternehmen, die von der Flaute besonders gebeutelt sind. Und in wenigen Tagen werden wieder Löhne, Sozialbeiträge, Abgaben und Mieten fällig. Der Rettungsschirm muss nun wirklich dichthalten. Dafür müssen die Verwaltungen und Banken funktionieren. Wir brauchen Flexibilität und Augenmaß, keine weitere Bürokratie. Nicht nur die großen Konzerne, sondern auch die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, Handwerker und Selbstständige, die nicht über Rücklagen verfügen, dürfen nicht nass werden. Jetzt gilt es, alle Kraft und so viel Geld wie möglich zu mobilisieren, damit das Land durch die Krise kommt, von der keiner weiß, wie lange sie noch andauern wird. Das macht es so schwer, so unwägbar. Eine Garantie, dass die jetzigen staatlichen Hilfspakete dazu führen, dass wir noch einmal mit einem blauen Auge, mit volkswirtschaftlich verkraftbaren Verlusten davon kommen, gibt es nicht. Gleichwohl sollte bereits jetzt darüber nachgedacht werden, wie solchen Krisen in Zukunft die Schärfe genommen werden kann. Das in weiten Teilen privatisierte, zusammengesparte und auf Effizienz getrimmte Gesundheitssystem gehört ebenso auf den Prüfstand wie mancher Unsinn im Namen der Globalisierung. Dass etwa auf deutschen Maschinen in China medizinische Schutzkleidung oder Medikamente produziert werden, die dann nach Deutschland importiert werden müssen, gehört unter dem Stichwort Daseinsvorsorge des Staates überprüft.
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