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Die Stars könnten so viel bewegen
Politische Äußerungen werden im Sport gescheut. Dabei haben die Helden manchmal eine Verpflichtung zu sagen, was sie denken. Leitartikel von Claus-Dieter Wotruba

Regensburg (ots)

Dass Sport und Politik zwei paar Stiefel sind, ist eine Illusion. War es schon immer und wird es auch immer sein. Nur ein Beispiel aus Zeiten, die lang her sind: Da straften die einen die anderen ab, indem sie 1980 nicht nach Moskau zu den Olympischen Spielen fuhren. Und die Ostseite merkte sich das vier Jahre lang und schoss zurück, indem sie Los Angeles boykottierte. Zur Klarstellung: Schon die Vergabe von Großereignissen ist Politikum genug. Heutzutage suchen Diktatoren allzu gerne die Weltbühne - und bekommen sie leider oft genug eingeräumt, um ihre Muskeln spielen zu lassen. Noch immer ist der Sport nämlich ein Mittel, um sich zu positionieren. Oder ein Versuch, eindringlich auf seine Wirtschaftskraft hinzuweisen, so (vermeintlich) ganz nebenbei die weltpolitische Bedeutung zu steigern und auf sich aufmerksam zu machen. Wie der nach Aufmerksamkeit gierende Fußballtorschütze, der im Jubel immer wieder auf den Namen auf seinem Trikot zeigt und damit sagen will: "Ja, seht her, ich bin es." Nur eines bleibt gleich: Die Protagonisten selbst werden in den seltensten Fällen gefragt, was sie wollen und was sie nicht wollen. Die kleinen Sportlerlein werden quer durch die Welt mal hierhin geschickt und mal dahin gehetzt. Was sie davon halten? Eher einerlei. Seine Meinung kundzutun, ist nicht gewünscht und wie bei Olympia vor Ort gar verboten. Ganz besonders politische Äußerungen stehen auf dem Index. In China Tacheles reden? Geht davor und danach, aber nicht im Stadion. Sich einmischen in Zwangsumsiedlungen oder Missstände beim Stadionbau? Nicht des Sportlers Ding. Dieser Tage liefert wieder so ein Thema Stoff, ja schreit nach Aussagen: Rassismus. Schon, dass in der Fußball-Bundesliga darüber nachgedacht wurde, dass Spieler sanktioniert werden, die via T-Shirt "Gerechtigkeit für George Floyd" und damit Solidarität für den getöteten schwarzen US-Bürger forderten, ist seltsam genug. Dabei werden genau diesen Kickern oft und zurecht ihre nichtssagenden Interviews voller Phrasen-Allerlei um die Ohren gehauen. Wenn sie dann aber in seltenen Fällen wie diesem Stellung beziehen, dürfen sie nicht? Zugegeben: Es ist ein schmaler Grat, Sportlern im Stadion Meinung zu erlauben. Das kann auch heikel werden, nicht immer sind die Fälle so eindeutig gelagert. Ein türkischer Militärgruß als Sympathie-Bekundung für eine Erdogan-Aktion etwa ist eine andere Sache. Würde jeder tun und lassen können, was er will, wäre das Tor eben auch für gefährlichere Botschaften geöffnet als jene, dass alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe, gleich behandelt werden sollten. Doch es ist das Risiko wert, ja bisweilen würde man es sich von Sportlern wünschen, dass sie Stellung beziehen und ihre Popularität nutzen. Manches Mal hätten sie geradezu eine Verpflichtung dazu und es hälfe mehr als gekünstelt angelegte Kampagnen gegen Rassismus oder Homophobie zum Beispiel. Insofern war jeder Gedanke an Bestrafung von Fußballern wie Sancho oder Thuram verschwendet. Die Kontrollinstanzen verwarfen ihn zum Glück ja schnell. "Wer die auch in der DFB-Satzung verankerten Werte des Fußballs proklamiert, darf nicht bestraft werden", sagte DFB-Präsident Fritz Keller. "Wir wünschen uns mündige Spielerinnen und Spieler, die mit gutem Beispiel vorangehen und Menschen von unseren Werten überzeugen. Das muss möglich sein." Das ist richtig und klingt gut. Es muss aber auch so gehandelt werden. Auf allen Seiten. Ein Ex-Nationalspieler wie Jerome Boateng, Bundesligaspieler seit 2007, sieht bei den Kollegen "viel Luft nach oben", sich für Sachen wie diese einzusetzen. Es ist viel zu tun. Am besten gleich ab jetzt.

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