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Drohungen, Zweifel und Korruption
Knapp zwei Monate vor den US-Wahlen sieht wenig danach aus, dass Donald Trump wiedergewählt wird.

Regensburg (ots)

Kein Tag vergeht, an dem der Möchtegern-Autokrat Donald Trump nicht mit etwas neuem droht. Einmal denkt er laut darüber nach, die Wahlen in den USA am 3. November wegen der Pandemie zu verschieben. Dann bringt er die Möglichkeit eines Dekrets ins Spiel, mit dem er die Briefwahlen einschränken will. Und immer wieder beschwört er Unregelmäßigkeiten und Manipulationen am Wahltag. Dem Land stünden die "korruptesten Wahlen" in der Geschichte bevor. Es gibt gute Gründe, jeden einzelnen Punkt als Spinnerei abzutun. Denn zum einen hat der Präsident laut Verfassung keine Macht, den Waltermin zu verschieben. Zum anderen obliegt es den 50 Bundesstaaten, die Durchführung der Wahlen in den rund 9000 Wahlkreisen zu überwachen. Doch dem Präsidenten geht es um etwas anderes. Er will das Vertrauen der Amerikaner in ihr Wahlsystem untergraben. Dafür behauptet er beinahe täglich ohne jeden Beleg die unglaublichsten Dinge über gefälschte Wahlzettel, Stimmen von Personen, die nicht wählen dürfen - und über überforderte Postämter. Systematisch sät Trump Zweifel an der Zuverlässigkeit der Ergebnisse, die nach Lage der Dinge eine Niederlage für den "America-First"-Präsidenten erwarten lassen. Er ahnt, dass seine einzige Chance für den Verbleib an der Macht darin bestehen könnte, nach Wegen zu suchen, das "Electoral College" (Wahlmänner-Kollegium) zu umgehen. Laut Verfassung müssen die amerikanischen Bundesstaaten am 14. Dezember ihre Wahlmänner und -frauen benennen, die nach dem Prinzip "winner takes all" bei den Wahlen vergeben werden. Das heißt, der Präsidentschaftskandidat, der in einem Bundesstaat eine einfache Mehrheit der Stimmen holt, erhält alle Wahlmänner zugesprochen. Bei der Auszählung am 6. Januar wird für die Wahl zum Präsidenten eine absolute Mehrheit von 270 Wahlmännern benötigt. Wenn ein oder mehrere der 50 Bundesstaaten, zum Beispiel wegen gerichtlichen Anfechtungen, keine Wahlmänner benennen, könnte das Szenario eintreten, dass die 270 Stimmen nicht erreicht werden. In diesem Fall greift der zwölfte Verfassungszusatz, der bestimmt, dass noch am selben Tag das Repräsentantenhaus den Präsidenten wählen muss. Obwohl die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit der Abgeordeneten stellen, sieht der zwölfte Verfassungszusatz bei der Wahl des Präsidenten ein anderes Verfahren vor. Demnach müssen die Repräsentanten in Staaten-Gruppen abstimmen, bei denen die jeweilige Mehrheit dort darüber entscheidet, wer die Unterstützung bei der Präsidentenwahl erhält. Es mag ungerecht sein, dass der größte Bundesstaat Kalifornien und das kleine Wyoming jeweils eine Stimme erhalten. Aber das ist die Regel. Nach Stand der Dinge hätte Trump bei diesem Verfahren im Kongress mit 26 zu 23 die Nase knapp vorn. Damit ein solches Szenario greifen kann, braucht Trump massives Durcheinander am Wahltag, Verzögerungen bei der Auszählung und Probleme mit den Briefwahlen, die inmitten einer tödlichen Pandemie erstmals der bevorzugte Weg einer Mehrheit der Amerikaner sein könnte, ihre Stimme abzugeben. Chaos kann niemand besser als Trump. Durch diese Brille betrachtet, machen die täglichen Angriffe des Präsidenten auf das Wahlsystem plötzlich Sinn. Joe Biden braucht am 3. November einen Erdrutsch-Sieg, um Trumps Tricks effektiv auszuschließen. Dass es soweit gekommen ist, zeigt, wie sehr der Bewunderer von Autokraten wie Wladimir Putin oder Recip Erdogan die demokratische Ordnung in den USA bereits unterminiert hat.

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