Mehr Ehrlichkeit statt Populismus
Seit Jahren erlebt die Welt den Aufstieg der Trumps und Bolsonaros. Kaum jemand fragt, was die Ursache dafür ist. Leitartikel von Christian Eckl
Regensburg (ots)
Das Bild der Rechtspopulisten ist in Deutschland klar umrissen: Donald Trump, der amerikanische Präsident, wird als völlig überforderter Un-Politiker dargestellt. Regelmäßig sorgen seine Aussagen für blankes Entsetzen. Hierzulande ist es Konsens, dass jeder vernünftige Amerikaner bei der kommenden Wahl im Herbst für seinen Herausforderer Joe Biden stimmen muss, nur die Unvernünftigen aus dem Bible-Belt können jemanden wie Trump überhaupt noch unterstützen. Bei seiner Nominierung für die zweite Amtszeit schwor Trump am Donnertag seine Wähler auf den Anti-Biden-Kurs ein mit den Worten "Niemand wird in Bidens Amerika sicher sein." Ähnlich apokalyptisch argumentiert häufig Jair Bolsonaro, der brasilianischen Präsident. Nicht so weit entfernt wettert der Dauerherrscher in Ungarn, Victor Orban, und in Polen Präsidenten Andrzej Duda gegen Minderheiten und die politischen Gegner. Man fragt sich: Wie stabil ist die westliche Welt, wenn ein Land nach dem anderen in die Hände von Populisten fällt, die mit Halbwahrheiten, Hetze gegen Minderheiten und sogar glatten Lügen regieren? Die Wahrheit ist, dass wir uns bislang nur mit den Symptomen, nicht aber mit der Krankheit selbst auseinandergesetzt haben. Das Phänomen des Populismus wird zudem abgetan, indem man glaubt, die Wähler in diesen Ländern seien einfach "zu rechts" und "zu blöd", um "richtig" zu wählen. Völlig außer Acht gelassen wird, dass die Populisten schlicht ihr Klientel so gut bedienen, dass sie damit Wahlen gewinnen. Dabei sollte doch die Entwicklung des eigenen Rechtspopulismus, namentlich durch die AfD etabliert, klar machen, dass auch deren - berechtigte - Ausgrenzung nicht weiterhilft. Vielmehr sollte die politische Mitte näher ans Wahlvolk rücken und nicht dauerhaft Minderheitenthemen in den Mittelpunkt stellen. In den USA beispielsweise wird Donald Trump zwischenzeitlich sogar von kritischen Medien wie der Washington Post bescheinigt, dass sie zwar die Politik für grundlegend falsch halten, er aber die meisten Wahlversprechen, die er seiner Wählerschaft vor der Abstimmung 2017 gegeben hat, realisierte. Trump hat seine Parole "America First" bereits am ersten Amtstag umgesetzt: Er kündigte umgehend das Transpazifische Abkommen, das engeren Handel mit asiatischen Staaten festschrieb. Aus Sicht Trumps benachteiligte das Abkommen die USA. Wenn der US-Präsident glaubt, dass Deutschland zu wenig Geld für seine Sicherheit ausgibt, kündigt er den Abzug von US-Soldaten an. Man kann diese Entscheidungen für falsch halten - bei Trumps Wählern sorgt das für Büttentreue. Die Schlussfolgerung für die politische Mitte sollte natürlich nicht sein, sich der menschenverachtenden Agenda beispielsweise gegenüber Minderheiten anzupassen. Im Gegenteil. Doch auch hierzulande müssen sich Politiker die Frage stellen, ob sie noch die richtigen Themen diskutieren. Dass Rassismus bei der Polizei kein Thema ist, bei dem man zwei Meinungen haben kann, ist klar. Aber Deutschland ist nicht die USA. Und die deutsche Polizei ist nicht die amerikanische. Wer glaubt, dass er mit Gender-Debatten die breite Mehrheit in Deutschland überzeugt, der wird kläglich am Wählerwillen scheitern. Diese Themen sind nicht unwichtig, aber sie sollten nicht im Zentrum unserer Debatten stehen. Gegen die Sprachpolizei hat sich unlängst der unverdächtige Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt. Jeder soll "so reden können, wie ihm der Schnabel gewachsen ist", sagte der Grüne. Vielleicht wäre ein Mittel gegen Rechtspopulismus, Ehrlichkeit und Volksnähe ins Zentrum politischen Handelns zu stellen. Dass in Deutschland die Mitte wieder wächst, war doch zuletzt bei der Corona-Krise deutlich geworden. Am meisten profitiert hat Ministerpräsident Markus Söder, indem er den Menschen reinen Wein einschenkte. Ehrlichkeit statt Populismus: Das kann die tatsächliche, die menschliche Alternative für Deutschland sein.
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