Die Bahn-Revolution ist alternativlos
Ostbayern ist abgehängt, was das Bahnfahren angeht. Spätestens in zehn Jahren soll der Deutschlandtakt das ändern.
Leitartikel von Benjamin Weigl
Regensburg (ots)
Sie ist nah, die Bahn-Revolution: Der Deutschlandtakt soll reparieren, was in den vergangenen Jahrzehnten bei Schienen- und Streckenplanungen vermurkst wurde.Das Bundesverkehrsministerium spart bei dem Projekt nicht mit Versprechungen: Bahnfahren in der Zukunft - das bedeutet schneller, weil die Umstiegszeiten kürzer werden, öfter, weil auf den Hauptverkehrsachsen mehr Züge eingesetzt werden, überall, weil alle Städte und Regionen angebunden werden. Schneller, öfter, überall? Das Ministerium und die Bahn müssen erst beweisen, dass das nicht nur auswendig gelernte Vokabeln sind, sondern ernst gemeinte Vorsätze.Zwischen Hamburg und Berlin sollen Züge ab diesem Sonntag im neuen Takt fahren, jede halbe Stunde ein ICE. Bis 2030 soll das gesamte Streckennetz auf den Deutschlandtakt abgestimmt sein. Damit das funktioniert, muss sich die Schienen-Infrastruktur verbessern. Beispiel Ostbayern: Nördlich von Regensburg klafft noch eine riesige Elektrifizierungs-Lücke, deshalb können dort nur Dieselloks fahren. Neue Bahn-Stromleitungen sind hier geplant, sie sollen auch Fernverkehr ohne Umstiege ermöglichen. Bis 2038 will die Bahn komplett klimaneutral fahren, nur mit erneuerbaren Energien. Alles ambitionierte, lobenswerte Ziele - doch westlich von Regensburg zeigt sich, dass noch tiefergehende Probleme warten.Die Strecke über Neumarkt nach Nürnberg ist zwar elektrifiziert, aber die beiden Gleise sind schon jetzt stark ausgelastet. Regionalbahnen, ICEs, S-Bahnen und Güterzüge fahren eng getaktet hintereinander her. Das führt regelmäßig zu Störungen. Ein Güterzug, der den Verkehr blockiert, oder eine Regionalbahn, die erst einen verspäteten ICE überholen lassen muss, sind keine Seltenheit. Im Deutschlandtakt sollen hier künftig noch mehr Züge fahren, mit knapp kalkulierten Umstiegszeiten - insgesamt sollen sie also auch schneller sein.Wie sollen diese Versprechen auf so einer überlasteten Strecke umgesetzt werden? Der beste Fahrplan hilft nichts, wenn ein kleiner Fehler im Betriebsablauf einen Domino-Effekt nach sich zieht. Während Verkehrsminister Andreas Scheuer ob des neuen Takts auf der Pilotstrecke Hamburg-Berlin frohlockt, warnen Experten bereits vor unkalkulierbaren Folgen. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks europäischer Eisenbahnen, stellt etwa in Aussicht, dass Güterzüge womöglich lange Umwege nehmen müssen, weil die Strecke noch gar nicht für den zusätzlichen Verkehr ausgelegt sei.Und noch ein Beispiel aus dem Güterverkehr: Die Schweiz ist mit dem Bau des Gotthard-Basistunnels, dem längsten Eisenbahntunnel der Welt, in Vorleistung getreten. Mittlerweile ist die leistungsfähige Achse von Italien quer durch die Alpen komplett fertig - bis zur deutschen Grenze. Im Rheintal stockt der viergleisige Trassenausbau, der 1996 von der Bundesregierung per Vertrag zugesichert worden war. Frühestens 2042 soll die Trasse nun fertig werden. Aufgrund der deutschen Unzuverlässigkeit beim Ausbau kann die Alpen-Route durch die Schweiz ihre volle Transportleistung erst gar nicht ausspielen.Der Fall zeigt, wie ambitioniert das Deutschlandtakt-Vorhaben wirklich ist. Denn ohne zusätzliche Gleise wird es immer enger auf den Schienen. Wie also sieht die Lösung des Bahn-Dilemmas aus? Drei Dinge sind klar. Erstens: Der Bahnausbau muss priorisiert vorangetrieben werden. Die Bahn ist das Verkehrsmittel, das Schnelligkeit und Umweltverträglichkeit am besten vereint. Der Klimawandel und das Verkehrschaos auf den Straßen - auf denen übrigens, im Gegensatz zu den Schienen, an allen Ecken und Enden gebaut wird - machen die Bahn zum Fortbewegungsmittel der Zukunft. Zweitens: Der Güterverkehr darf dabei nicht vergessen werden. Transporte auf die Schiene zu verlagern, muss ein zentraler Punkt der Klimapolitik sein.Und schließlich drittens: Nachtzüge verdienen ein Comeback. 2016 hat die Bahn sämtliche Linien mit Schlafwagen eingestampft. Dabei würde es sich anbieten, die Strecken nachts zu nutzen und sie damit tagsüber zu entlasten. Reisende könnten lange Strecken bequem während des Schlafens zurücklegen und so nicht nur Zeit sparen, sondern auch das Geld für Hotelübernachtungen.
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