Gegen Wetterextreme wappnen
Die Hochwasser-Katastrophe führt uns dramatisch vor Augen, wie wichtig wirklicher Klimaschutz und umfassende Vorsorge sind. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Es sind Bilder, die wir sonst nur aus Nachrichtensendungen aus fernen Ländern kennen. Von verheerenden Fluten weggerissene Häuser, zerstörte Brücken und Straßen. Und, viel schlimmer noch, offenbar auch mehr als 100 getöteten Menschen. Die Hochwasser-Katastrophe im Westen Deutschlands übertrifft in ihrer Wucht und Zerstörungskraft selbst die dramatischen Flutereignisse, die man in Hochwasser gewohnten Regionen wie an Donau und ihren Nebenflüssen kennt. Unvorstellbare Regenmengen haben in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen binnen weniger Stunden ganze Ortschaften verwüstet, Existenzen vernichtet. Viele Menschen haben ihr Hab und Gut, das Dach über dem Kopf und auf tragische Weise liebe Angehörige und gute Freunde verloren. Viele Menschen werden noch vermisst. Es macht fassungslos. Dabei hatten wir doch alle sehnlich gehofft, dass es mit dem Abflauen der Corona-Pandemie wieder besser werden würde.
Der Schock über das Ausmaß des verheerenden Unwetters hat ganz Deutschland erfasst. Den Rettungskräften vor Ort, den Feuerwehren, Technischem Hilfswerk, Bundeswehr, dem Deutschen Roten Kreuz, kirchlichen und anderen Organisationen gilt in diesen dramatischen Stunden der besondere Dank. Sie arbeiten unermüdlich und setzen oft das eigene Leben für die Rettung anderer ein. Einige Helfer haben diesen Einsatz mit ihrem Leben bezahlen müssen. Das ist besonders tragisch.
Zugleich jedoch läuft eine gewaltige Welle der Hilfsbereitschaft und tätigen Unterstützung durchs Land. Hoffnungsschimmer in dieser düsteren Zeit ist die Unterstützung, die aus anderen Bundesländern, von Kommunen und Freiwilligen, auch aus dem Ausland, angeboten und erbracht wird. Es laufen Spendenaktionen an, um die Not der Hochwasser-Opfer wenigsten finanziell etwas zu lindern. In der Not - und nicht in wohlfeilen Sonntagsreden - zeigt sich, was echten Zusammenhalt und wirkliche Solidarität ausmacht. Mit diesem Geist, diesem Engagement wird Deutschland auch diese schlimme Prüfung durch Naturgewalten bestehen.
Zugleich drängt sich die Frage nach dem Warum auf. Wissenschaftler, Klimatologen und Meteorologen warnen schon länger davor, dass die stattfindenden Klimaveränderungen zu mehr und heftigeren Wetterextremen führen werden. Für jeden spürbar sind die Zeitspannen zwischen Hochwasserereignissen auf der einen und schlimmen Dürreperioden auf der anderen Seite immer kürzer geworden. Es mag für manche abstrakt und schwer nachvollziehbar klingen, wenn Klimaforscher erklären, dass der Anstieg der Temperaturen über der Arktis mitursächlich für die sich häufenden Wetterextreme auch in unseren Breiten ist. Die Winde in zehn Kilometern Höhe, Experten sprechen von Jetstream, werden schwächer. Und so verbleiben bestimmte Wetterlagen - starke Hitze oder eben wie jetzt starker Regen - länger über einem Gebiet. Die vom Menschen in den vergangenen Jahrzehnten verursachte Klimaveränderung schlägt in Gestalt von Extremwetter zurück.
Die Konsequenzen aus diesen komplizierten und komplexen Entwicklungen sind vor allem zweierlei: Erstens muss wesentlich mehr für die Vorsorge vor diesen Extremen geleistet werden, von baulichen Maßnahmen an Gebäuden und Infrastruktur, bis hin zu ausreichend Überflutungsflächen bei Starkregen und Hochwasser, aber auch Wasserrückhaltesystemen für Dürrezeiten. Und zweitens führt uns die Katastrophe im Westen dramatisch vor Augen, wie dringlich wirklicher Klimaschutz in Deutschland und global ist. Die Trümmer werden in absehbarer Zeit beseitigt und die Orte wieder aufgebaut sein. Die inzwischen immer spürbarere Gefahr der Erderwärmung ist dagegen eine langfristige, generationenübergreifende Herausforderung. Eine Lehre aus der jetzigen Katastrophe lautet auch: die EU-Klimaschutzziele müssen verwirklicht, dürfen nicht wieder verwässert werden.
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