Wahl 2021: Jetzt wird es grob
Die CSU kämpft hart gegen Hubert Aiwanger - aus der Not heraus. Samthandschuhe werden jetzt aber überall abgestreift.
Regensburg (ots)
Die CSU hat die Boxhandschuhe ausgepackt. Die ersten Kinnhaken trafen den Koalitionspartner Hubert Aiwanger, der der Söder-Partei schon länger ziemlich unversehrt auf der Nase herumtanzt. Zu lange, wie viele in der CSU meinen. Der Ratschlag an den Freien-Wähler-Chef und Wirtschaftsminister, künftig öfter erst nachzudenken, bevor er den Mund aufmacht, zählt jedenfalls zu den gröberen Unfreundlichkeiten. Die neue Härte ist nicht nur Retourkutsche für all die Debatten um Polder, Stromtrassen und Co. Es gibt einen noch wichtigeren Grund.
CSU-Chef Markus Söder muss verhindern, dass seine Partei bei der Bundestagswahl die nächste historische Niederlage einfährt. Mit dem Ergebnis am 26. September steht und fällt der Einfluss der CSU in Berlin. Die Zahl der Ministerposten hängt davon ab - und auch, wieviel aus dem CSU-Wahlprogramm bei Koalitionsverhandlungen durchzusetzen ist.
Immer vorausgesetzt, dass am Ende nicht eine Regierung jenseits der Union möglich ist, weil es für eine Ampel aus Grünen, FDP und SPD reicht. Auch dieses Risiko könnte die CSU mit einem guten Abschneiden ein wenig minimieren. Entscheidend bleibt aber so oder so die eigene Stärke, aus der sich das Selbstbewusstsein als unverzichtbare Regionalpartei nährt. Söders Mission: Der "bayerische Löwe" darf nicht zum fauchenden Kätzchen geschrumpft werden.
Aiwanger und die Freien Wähler stehen diesem Ziel im Weg. Sie könnten die CSU entscheidende Stimmenanteile kosten. Unklar ist, ob das in den aktuellen Umfragen von nur 36 Prozent schon eingepreist ist. Die Meinungserhebungen bergen überhaupt - auch mit Blick auf den weiteren Verlauf der Corona-Krise - viele Unsicherheiten. Tief ins Parteigedächtnis der CSU hat sich das Schockergebnis der Bundestagswahl 2017 eingebrannt: Damals lagen die Umfragewerte vorab rund acht Prozent höher als am Wahltag.
Die CSU schmerzt in dieser Lage nicht nur Aiwanger. Ebenso stark gilt das für Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, dessen Wahlkampf-Strategie es ist, mit Leisetreterei ins Kanzleramt einzurücken. Er rührt bewusst keinen Finger, um der oft lästigen CSU aus der Patsche zu helfen. Söder aber weiß, dass er in Bayern nur mit klaren Positionierungen die Wähler überzeugen kann.
Viele Bürger sind in puncto Wahlentscheidung auch noch völlig ratlos. Gefährlich für alle Volksparteien ist, dass gerade weder die Kanzlerkandidatin noch die Kanzlerkandidaten eindeutig überzeugen und somit aus Wählersicht die Auswahl zwischen mehr oder weniger schlechten Optionen bleibt: Grünen-Politikerin Annalena Baerbock haftet wegen Schludrigkeiten das Image an, dem Amt (noch) nicht gewachsen zu sein. Bei SPD-Mann Olaf Scholz krankt es daran, dass seine Partei nach Prognosen ein viel zu schwaches Ergebnis einfahren wird, um ernsthaft Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben zu können.
Es ist Kampfgeist gefragt, damit nach der Bundestagswahl in Berlin stabile Koalitionen gebildet werden können. Bürger müssen dafür wissen, wofür die Parteien stehen. Bei Union und Grünen als stärkste Player würde auch ein Mini-Schattenkabinett mit Protagonisten für zentrale Themenfelder Klarheit schaffen.
Es wird in den nächsten Wochen von allen Parteien mehr gerempelt werden als bisher. Es geht schließlich um viel. Söder und sein Team läuteten lediglich die erste Runde ein. Verwunderlich ist Aiwangers Erstaunen darüber. "Schön, wenn man so dicke Freunde hat", textete er auf Facebook. Doch wer selbst gerne auf Schmerzpunkte der CSU zielt, muss einstecken können. Die spannende Frage bleibt, wie nachhaltig das Klima in der bayerischen Koalition dadurch getrübt wird. Im Oktober werden tiefe Wunden zu verarzten sein.
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