Konservative in Katerstimmung/Die Bayern-Koalition aus CSU und Freien Wähler steckt in schweren Turbulenzen. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat daran hohen Anteil - aber nicht allein.
München (ots)
Die Bundestagswahl hat das konservative Lager schwer erschüttert. Das ist nicht allein in Berlin zu beobachten, wo die CDU erstaunlich unbeirrt vor sich hin stolpert und CDU-Chef Armin Laschet zentrale Problemfigur bleibt: In München war die Skepsis der eigenen Partei gegen CSU-Chef Markus Söder nie größer. Das Fundament der Bayern-Koalition hat nach harten Wahlkampfschlachten starke Risse. Die Schuld daran lässt sich nicht nur bei Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger abladen, auch wenn er sich durch seine böse Entgleisung am Wahlsonntag selbst ins Zentrum gerückt hat. Trotz öffentlicher Entschuldigung im Landtag bleibt der Koalitionsfrieden gestört - schon weil Aiwanger zu diesem Schritt offensichtlich genötigt werden musste. Er selbst hätte gern als Missgeschick abgetan, dass er sich per Twitter aufs Terrain der Wahlmanipulation begab und Laschets Wahlzettel-Panne in den Schatten stellte.Doch es war ein grober Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz, vor Schließung der Wahllokale interne Prognosen eines Meinungsforschungsinstituts öffentlich zu machen. Das Entsetzen war auch bei den Freien Wählern groß, obwohl man nach außen weitgehend die Reihen schließt.Der Twitter-Sündenfall taugt gut, um den momentanen Kältegrad in der Koalition zu messen. Die CSU ist die regelmäßigen Grenzverletzungen Aiwangers leid. Ministerpräsident Markus Söder und die Fraktion schmerzt am meisten, dass der Freie-Wähler-Chef trotzdem im konservativen Wählerklientel punkten kann. Das 7,5-Prozent-Ergebnis in Bayern ist der Beweis. Aiwanger glückt das, weil er trotz gemeinsamer Regierungsverantwortung draußen im Land mit bemerkenswerter Chuzpe in die Oppositionsrolle schlüpft und Fehler der CSU anlastet. Eine Masche, die die CSU selbst immer wieder gegenüber Berlin praktiziert hat, jedoch zumeist nicht so dreist.Aiwanger ist und bleibt ein Stachel im Fleisch der CSU. Wobei die Fokussierung auf den Unberechenbaren natürlich viel zu kurz greift. Schon bei der Bundestagswahl hatte das merkwürdige Blüten getrieben. Die CSU warnte vor "verlorenen" Stimmen für die Freien Wähler, sprach Aiwanger der Zersplitterung des konservativen Lagers schuldig. Mit derselben Logik könnten auch andere Parteien jetzt in Wehklagen ausbrechen - etwa die SPD gegenüber den Linken. Dabei haben doch schlicht die Wähler den Hebel in der Hand.Die eigentliche Frage muss deshalb lauten: Was macht die CSU falsch, wenn Bürger lieber anderswo ihr Kreuz machen? Warum bröckelten auch die Ergebnisse vieler CSU-Direktkandidaten, obwohl hier der Laschet-Faktor nicht als Erklärung taugt? Warum ist der Abstand zu Mitbewerbern inzwischen teils so klein, dass bei den Landtagskandidaten 2023 die Alarmglocken schrillen?Das CSU-Bundestagswahlergebnis kann dazu verleiten, sich unbequemer Analysen zu verschließen: Es gibt mit Aiwanger und Laschet zwei Sündenböcke. Trotz heftiger Verluste von rund sieben Prozent hat man zudem de facto nur ein Mandat verloren, weil 45 von 46 Direktkandidaten am Ende die Nase trotzdem vorne behielten.Die tiefere Wahrheit aber ist: Die CSU hat die Erosion auch selbst zu verantworten. CSU-Chef Söder setzt zwar unaufhörlich beachtenswerte Ideen aufs Gleis. Doch bei der Umsetzung sind häufig nicht alle Details bedacht. Die Gesamtvision fürs Land bleibt unklar - anders als bei Grünen, SPD oder FDP, bei denen man ziemlich genau weiß, wie sie sich das Bayern der Zukunft ausmalen.Der Kontakt zu früheren Stammwählern wie den Landwirten hat schwer gelitten. Bauern wie anderen stört an neuen Anordnungen "von oben" vor allem auch die Tonlage. Alles Schwachstellen, die vor der Landtagswahl beseitigt werden müssen. Sonst droht die nächste Niederlage. Es wäre eine, die die CSU Söder nicht mehr verzeiht.
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