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Ampel mit vielen Verheißungen
Auch wenn viele Details noch unklar sind, beeindrucken der neue Stil und der Reformeifer des rot-grün-gelben Trios. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Wenn Politik im starken und langsamen Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß besteht, wie der Philosoph Max Weber schon vor über 100 Jahren meinte, dann ist die im Entstehen begriffene Ampelkoalition auf dem Weg dahin, wirklich Politik zu machen. Jedenfalls haben SPD, Grüne und FDP knapp drei Wochen nach der Bundestagswahl nun sozusagen den Mast in die Erde eingelassen, an dem bald schon die neue Regierungsampel blinken könnte. Das zwölfseitige Sondierungspapier skizziert immerhin den Weg, den das Land politisch künftig einschlagen dürfte. Dass Deutschland demnächst von einer rot-gelb-grünen Ampel regiert werden wird, ist seit gestern wahrscheinlicher geworden.

Dass die Runde der drei sehr unterschiedlichen Parteien nach langen diskreten Gesprächen nun mit großen Worten nur so um sich wirft, von einer Reform- und Fortschrittskoalition, diversen Verheißungen, großen Hoffnungen, Aufstiegschancen, von mehr Respekt und Zusammenhalt schwadroniert, ist geschenkt. Diese politische Lyrik gehört zum Geschäft. Bisher hat noch jede neue Regierung eine mehr oder weniger griffige Überschrift für ihre jeweilige Amtszeit gefunden, die meist bald in Vergessenheit geriet.

Was allerdings Mut macht und dieses Mal mehr sein könnte, als nur ein wohlklingendes Motto, sind die große Ernsthaftigkeit, der vertrauensvolle Stil und der ermutigende Reformeifer, mit denen dieses politische Trio gestartet ist. Sollten die jeweiligen Parteigremien zustimmen - wovon auszugehen ist - dann könnten bereits Anfang nächster Woche die Koalitionsverhandlungen beginnen. Allerdings werden auch die nicht einfach werden, weil viele wichtige Detailfragen noch offen sind. Doch zumindest könnte das langwierige Gezerre um eine - am Ende nicht zustande gekommene - Jamaika-Koalition und die schwierige Geburt einer GroKo vor vier Jahren dem Land heuer erspart bleiben. Wenn Deutschland bald eine stabile und handlungsfähige Regierung vorweisen könnte, wäre dies auch ein wichtiges Signal an die europäischen und weltweiten Partner.

Vielleicht liegt die große Chance für eine künftige Regierungs-Ampel gerade darin, dass sie Politik von ganz unterschiedlichen Ausgangspostionen heraus gestalten muss. Es ist ein Geben und Nehmen gefragt, nicht die Suche danach, wie man selbst die meisten Punkte machen oder den beziehungsweise die anderen Partner am wirkungsvollsten über den Tisch ziehen kann. Eine Ampel wird nur funktionieren, wenn jede Seite ihren Markenkern widergespiegelt sieht. Wenn etwa die Sozialdemokraten ihre sozialen Themen einbringen können - von zwölf Euro-Mindestlohn, erschwinglichen Mieten, sicheren Renten. Und wenn zugleich die Liberalen ihr finanz- und haushaltspolitisches Mantra behalten können - keine Steuererhöhungen und die bald wieder ins Werk gesetzte schwarze Null. Während es für die Grünen unerlässlich ist, dass starke Pflöcke für den Schutz des Klimas und raschere Schritte bei der Energiewende, für mehr Wind- und Solarstrom und weg von der Kohle, eingeschlagen werden.

Das Positionspapier der Koalitionäre atmet das Motto: Jeder bekommt etwas, was ihm besonders am Herzen liegt, aber nicht jeder bekommt alles. Grüne und SPD müssen Abschied nehmen von höheren Steuern für Vermögende, vom Tempolimit 130 auf Autobahnen oder einer Bürgerversicherung. Während die Liberalen kräftige Staatsinvestitionen gegen galoppierende Strompreise akzeptieren müssen. Noch liegt nur die Richtung vor, in welche die künftige Regierungs-Ampel blinken will. Doch bereits jetzt lassen die drei Partner die sich selbst zerfleischende und kopflose Union alt aussehen. Jamaika liegt seit gestern in noch weiterer Ferne.

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