Buhmann und Freiheitssymbol
Das Auto bleibt attraktiv. Damit die Verkehrswende gelingt, müssen die anderen Mitspieler an Charme gewinnen. Der Kampf gegen den Klimawandel lässt keine andere Wahl zu.
Regensburg (ots)
Die Liebe zum Auto hat gute Gründe. Die einen sind rational, die anderen emotional. Wenn wir über künftige Mobilitätskonzepte reden, die das Klima weniger belasten sollen wie bisher, spielen beide eine Rolle.
Das Auto als Inbegriff des Individualverkehrs steht als Buhmann und als Freiheitssymbol im Zentrum der notwendigen Veränderung. Es verstopft die Straßen, besetzt viel zu viel Platz im Vergleich zu Fußgängern und Radfahrern; es verpestet die Luft und schadet damit der Gesundheit und dem Klima - sofern es mit Verbrennungsmotor fährt. Andererseits aber vernetzt es die hintersten Winkel ländlicher Gebiete mit den Städten, den Arbeitsplätzen, den Bildungseinrichtungen, den Einkaufs-, Kultur- und Freizeitmöglichkeiten. Ein Auto, das ist die Unabhängigkeit auf vier Rädern, zu jeder Zeit an jedem Ort sein zu können; vorausgesetzt, die Straßen sind frei. Es ist ein geschützter Raum im öffentlichen Raum. Seit der Corona-Pandemie wissen wir das ganz besonders zu schätzen.
Darüber hinaus verbinden es gerade die Deutschen mit den Errungenschaften aus dem letzten Jahrhundert: Wirtschaftsaufschwung, Arbeitsplätze, Aufstieg, Individualität, Selbstverwirklichung. Die Generation, die jetzt am Ruder ist, ist zutiefst davon geprägt. Das sei legitim, findet der Trendforscher Tristan Horx. Das Auto ist nicht nur ein Haufen Blech, sondern ein Haufen heiliges Blech.
Daran kommt man nicht so leicht vorbei, auch nicht mit sachlichen Argumenten. 2020 erzeugte der Verkehr 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland; 30 Prozent entfiel auf die Energiewirtschaft (Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen), 24 Prozent auf die Industrie. Mobilität ist ein dicker Posten mit viel Veränderungspotenzial im Hinblick auf die Klimaziele. Die Richtung ist klar und wissenschaftlich begründet: Individual- und Güterverkehr müssen klimaneutral werden. Das reicht aber noch nicht. Es gibt um die fünf Millionen Pkw in Deutschland, die im Schnitt von nur 1,4 Personen besetzt sind. Die Mobilitätsforscherin Laura Gebhardt sagt voraus, wenn sich die Entwicklung fortsetzt, werden wir in Zukunft noch mehr Autos haben und auch noch mehr als die derzeit durchschnittlichen 40 Kilometer täglich unterwegs sein. Auch diesen Trend gilt es zu stoppen. Sonst kollabieren die Straßen, und die Städte werden - oder bleiben - menschenunfreundlich und nicht lebenswert.
Die Lösung wird ein Kompromiss sein unter der derzeit wichtigsten Prämisse: Klimagerechtigkeit. Unsere Existenz hängt nicht am Verbrennungsmotor, sondern an einer lebensfreundlichen (Um)Welt. Darin hat auch das E-Auto seinen Platz - neben dem eng getakteten ÖPNV, einer bequemen, serviceorientierten Bahn (inklusive stabilem WLAN und Steckdosen!), einer Ticketflatrate, Radschnellnetzen und sicheren Fahrradwegen.
Das Auto (in seiner klimafreundlichen Version) wird künftig nichts von seiner Attraktivität einbüßen. Damit die Verkehrswende aber klappt, muss die Attraktivität der anderen Mitspieler massiv steigen. Neben dem Klima muss auch die soziale Gerechtigkeit in den Fokus rücken. Mobilität darf keine Frage des Geldbeutels werden, weil nun Kosten für den Ausbau von Bus und Schiene auf den Fahrpreis umgelegt werden. Das ist die Hausaufgabe für ÖPNV, Bahn, Städte, Gemeinden und den Bund: Wenn man sicherer, bequemer, billiger und schneller mit dem Rad oder dem Bus an sein Ziel gelangt, bleibt das Auto ganz von selbst in der Garage stehen oder wird erst gar nicht mehr angeschafft.
Bis es aber so weit ist, hilft es, geliebte Gewohnheiten zu hinterfragen. Bis zu 50 Prozent unserer alltäglichen Handlungen passieren automatisch. Das Auto zu nehmen, sollte nicht dazugehören.
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