Söders größtes Problem bleibt/ Die Glaubwürdigkeit des Regierungschefs ist wegen durchsichtiger Corona-Manöver angekratzt. Daran ändern auch neue Minister nichts.
Regensburg (ots)
Was Regierungschef Markus Söder als großen Aufschlag im Jahr vor der Landtagswahl geplant hatte, ist angesichts der Wucht der Russland-Krise zwar ziemlich verpufft. Die Klimmzüge der CSU hätten in normalen Zeiten weit mehr Aufmerksamkeit erregt. Bemerkenswert bleibt, dass die Neubesetzung von drei CSU-Ministerstühlen im Kabinett das Hauptproblem nicht an der Wurzel packt. Es waren nicht der Wissenschaftsminister, die Bauministerin oder die Sozialministerin, die trotz ausbaufähiger Bilanz zuletzt die größten Zweifel beim Wahlvolk ausgelöst haben: Söder selbst hat mit einer Reihe von Aktionen eigene Glaubwürdigkeit beschädigt. Der CSU-Chef muss das zügig korrigieren. Würde seine Partei auf aktuellem Niveau verharren, hätte sie ab 2023 neben den Freien Wählern noch einen weiteren Koalitionspartner nötig. Das würde neben Posten weitere Durchsetzungskraft kosten. Wenn Söder von einer Schicksalswahl spricht, übertreibt er um kein Jota.Umso mehr muss der CSU-Chef aufpassen, dass nicht an ihm kleben bleibt, was sich zuletzt auch bundesweit verfestigte: Nämlich dass er, wenn es für die CSU opportun erscheint oder sich damit der Ampel-Koalition an den Karren fahren lässt, mühelos alle Überzeugungen über Bord wirft. Freund wie Feind verstörte, wie schnell er in der Corona-Politik vom Team Vorsicht ins Team Lockerungen wechselte. Die Vorsichtigen fielen dabei vom Glauben an Söder ab, das Misstrauen der immer schon recht Lockeren konnte er im Gegenzug nicht zerstreuen.Wobei Söder ja nicht falsch liegt: Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Fahrplan zurück in viel Normalität. Angesichts der weiter großen Belastungen in den Krankenhäusern - nicht mehr durch Intensivpatienten, aber durch hohe personelle Ausfälle - braucht es dennoch nicht allein Forschheit. Manches Vorpreschen wirkte sogar unfreiwillig komisch: Es erfordert schon Chuzpe, kurz vor der Ministerpräsidenten-Konferenz Maßnahmen vorwegzunehmen, um danach zu reklamieren, dass das ganze Land den Bayern folgt. Ähnliches Muster beim Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht: Söder beschreibt korrekt die massiven Probleme beim Umsetzen. Doch warum macht er sich nicht zum Teil der Lösung und pocht auf Regeln aus Berlin. Wann hätte die "Mia-san-Mia"-CSU so etwas je gewollt?Söder bleibt neben CDU-Chef Friedrich Merz die stärkste Figur im konservativen Lager. Die einzige Währung, die in der CSU aber zählt, ist der Erfolg bei der nächsten Landtagswahl. Für dieses Ziel muss er Vertrauen zurückerobern. Denn ein Söder, der weite Bevölkerungskreise überzeugt, macht jeden farblosen CSU-Minister um Längen wett.Unter den Neubesetzungen stechen drei Personalien hervor: Vom Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter kann sich die CSU starke Effekte erhoffen. Bernreiter hat die Erfahrung, um beim Wohnungsbau anzuschieben. Er hat das Zeug, um den Niederbayern und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in Schranken zu halten. Auch der künftige CSU-Generalsekretär Stephan Mayer ist klug gewählt. Er machte schon als Staatssekretär im Bundesinnenministerium eine gute Figur. Beachtenswert aus Oberpfälzer Sicht ist, dass der Landtagsabgeordnete Gerhard Hopp Co-Chef der CSU-Grundsatzkommission wird. Der Posten ist ein Karriere-Sprungbrett.Nicht zu vergessen ist natürlich einer, der bei den Personalspielen nie in Gefahr war: Der Finanzminister und Oberpfälzer CSU-Chef Albert Füracker zählt zu den wirklich Starken, die rar gesät sind. Auch die Landtags-Fraktion ist nicht der größte "Talentschuppen", wie Söder gern suggeriert. Sonst wäre jetzt auch gleich Fraktionschef Thomas Kreuzer abgelöst worden, dessen Karriere sich dem Ende zuneigt.
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