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Die Impfpflicht macht Sinn
Gerade weil viele in der gefährdeten Generation Ü60 noch keine Impfung haben, könnte gesetzlicher Druck Unentschlossene zu dem Pieks bewegen.
Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Es ist schon seltsam, wie schnell das Drama des Ukraine-Krieges das Aufregerthema der vergangenen zwei Jahre in den Hintergrund gedrängt hat. Corona - war da noch was? Gefühlt ist die Pandemie doch schon vorbei, trotz hoher Infektionszahlen. Die in vielen Bundesländern vollzogenen Lockerungen, Masken etwa nur noch in Bahnen und Bussen, Krankenhäusern und Pflegeheimen, tun ein Übriges, um uns in Sicherheit zu wiegen. Doch das ist trügerisch und gefährlich. Die Pandemie der tückischen Corona-Viren ist leider noch längst nicht vorbei. Und ob Deutschland mit seinem de facto Freiheits-Tag nicht doch etwas voreilig war, werden erst die kommen Wochen und Monate zeigen. In Österreich etwa, das nicht gerade für eine besondere Regelungswut bekannt ist, wurde die Maskenpflicht in Innenräumen nun wieder eingeführt.

Angesichts der weitgehenden Normalität nach über zwei Jahren Corona-Frust wirkt es wie aus der Zeit gefallen, wenn der Bundestag in dieser Woche über eine Impfpflicht entscheiden wird. Die Aussagen aus dem Wahlkampf nahezu aller Parteien - außer der AfD natürlich -, sich für eine Impfpflicht einzusetzen, sind nahezu vergessen und verraucht. Mühsam schleppte sich das Vorhaben durch die Mühlen des Bundestages. Dabei ist eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren, die radikalste Form, längst vom Tisch. Weil die Regierung in der wichtigen Impf-Frage nicht führte, weil man sich innerhalb der Ampel bis heute nicht einig ist, waltete Beliebigkeit. Kaum noch jemand blickt durch angesichts einer Handvoll Gesetzesanträgen, die von gar keiner Pflicht zur vorsorgenden Impfung, nur Beratung, dem Pieks ab 18, ab 50 oder ab 60 reichen. Zwar ist die Impfpflicht nicht ganz tot, aber zumindest halb tot. Sie röchelt gewissermaßen noch.

Dennoch macht es Sinn, eine gesetzliche Pflicht zur Corona-Vorsorgeimpfung zumindest für etwas ältere Bürger und Bürgerinnen, etwa ab 50 oder 60 Lebensjahren einzuführen. Vor allem die harten Fakten sprechen dafür. Leider sind nämlich immer noch etwa 2,7 Millionen Menschen der Altersgruppe Ü60 überhaupt nicht geimpft. Bei den über 80-Jährigen und den Bewohnern von Heimen sieht es dagegen besser aus. Das Risiko für einen ungeimpften 70-Jährigen, mit einer Omikron-Infektion auf einer Intensivstation behandelt werden zu müssen, liegt sieben Mal so hoch wie für einen dreifach geimpften Gleichaltrigen. Und selbst wenn sich nur jeder Vierte der ungeimpften 60-Jährigen infizieren würde, dürften die Intensivstationen wieder überlaufen. Allen Fortschritten der medikamentösen Behandlung, die inzwischen gemacht wurden, zum Trotz.

Gesetzlicher Nachdruck für das Impfen könnte vor allem - immer noch - unentschlossenen Menschen helfen, sich für die Impfung zu entscheiden. Wie dieser Nachdruck allerdings durchgesetzt werden sollte, steht auf einem anderen Blatt. Niemand, auch die schärfsten Impf-Befürworter nicht, verlangen den Vollzug per Zwang. Aber spürbar, etwa durch ein angedrohtes Ordnungsgeld, sollte eine Impfpflicht schon sein. Völlig ohne mögliche Sanktionen macht eine Pflicht keinen Sinn. Das ist bei der Gurtpflicht im Auto oder beim Stopp an der roten Ampel nicht anders. Von der Pflicht, seine Steuererklärung abzugeben, ganz zu schweigen. Eine überwältigende Mehrheit der Menschen hält sich an diese und andere gesetzlichen Vorgaben. Einige freilich pfeifen darauf. Doch noch viel wichtiger als eine Impfpflicht ist, in welcher konkreten Form auch immer, ab 50 oder 60 Jahren, dass über den Sinn und Nutzen, aber auch über die durchaus vorhandenen Risiken des Impfens aufgeklärt wird. Gerade wenn es um den eigenen Körper geht, müssen Fragen und Zweifel erlaubt sein. Doch für das Impfen gibt es gute Argumente. Für eine Impfpflicht auch. Nach dem verwirrenden Hickhack der letzten Wochen sollte der Bundestag nun endlich entscheiden.

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