Die Nachfrage nach Immobilien bleibt auch 2019 hoch - Ein Rück- und Ausblick von Timo Tschammler, CEO JLL Germany
Frankfurt (ots)
Vor dem Hintergrund sich selbst dynamisierender globaler Unwägbarkeiten sehen viele Anleger ihr Heil in der mittlerweile hoch geachteten Asset-Klasse Immobilien. Und in der Tat scheint die Immobilienwelt nach wie vor in einem stabil geordneten Zustand zu sein. Weltweit, vor allem aber auch in Deutschland. Und selbst die deutsche Politik, so hat es den Anschein, bewegt sich, wenn auch nicht in allen Bereichen der Immobilienwelt, in eine vernünftige Richtung.
Die deutsche Politik bewegt sich in einigen Bereichen in eine vernünftige Richtung
So hatte der Berliner Mammut-Gipfel zum Thema "Wohnraummangel" in den deutschen Großstädten im Kanzleramt am 21. September 2018 durchaus mehr als nur politischen Symbolcharakter. Auch wenn er in seiner Wirkung eher der berühmte Tropfen auf den berüchtigten heißen Stein gewesen sein dürfte. Das aber hat mehr mit der deutschen Bürokratie und weniger mit politischem Gestaltungswillen zu tun. Denn in die Endlosschleife der Diskussion sind neben den Planungsinstitutionen der Länder und Kommunen nun erfreulicherweise auch in zunehmendem Maße private Entwickler und Investoren involviert. Inwieweit die das vielgestaltige Defizit ausgleichen können, bleibt allerdings abzuwarten. Ein Chancenpotential ist auf jeden Fall vorhanden, der erste Schritt in die richtige Richtung ist getan. Und das nicht zuletzt deswegen, weil der Fragenkomplex nicht nur auf die Frage des klassischen Wohnens beschränkt ist.
Auch bei JLL denken und agieren wir diesbezüglich mit einem weiter gefassten Ansatz, der die Gesamtheit menschlichen Lebens in vielfältigen Aspekten unter dem Titel "Living" umfasst. Neben unseren bestens etablierten Dienstleistungsangeboten im Geschäftsbereich Wohnimmobilien-Investment subsummieren wir unter "Living" auch angrenzende Bereiche vom Mikro-Wohnen über Studenten-Wohnheime bis hin zum alters- und gesundheitsgerechten Leben in Seniorenresidenzen und Pflegeheimen. Und wir verstehen unter Living nicht nur das klassische Investmentgeschäft, sondern immer stärker auch die Bewertung und die beratende und steuernde Begleitung von Projektentwicklungen in den genannten Assetklassen.
Auch das Besteller-Prinzip, von der großen Koalition bereits 2013 in den Koalitionsvertrag aufgenommen, weist in die richtige Richtung. Je systematischer und professioneller die Teilnehmer im Immobilienmarkt nach internationalem Vorbild agieren, desto besser für die künftige Entwicklung der Märkte in Deutschland. Dass dieses Besteller-Prinzip noch immer kontrovers diskutiert wird, hängt mit dem hierzulande gängigen Berufsbild des Nachweis-Maklers zusammen. Das Besteller-Prinzip trennt die Spreu vom Weizen. Keine Frage: Auch die Beraterszene in der Immobilienbranche gleicht sich mehr und mehr international gängigen Standards an, eine längst überfällige Entwicklung auch in Deutschland. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass im vorherrschenden Niedrigzinsumfeld eine wachsende Zahl von Investoren ihre Allokation im Immobiliensektor erhöhen. Insbesondere die relative Performance im Vergleich zu anderen Asset-Klassen ist ein Haupttreiber dieser Entwicklung - auch mit Blick auf die Beratungsqualität.
Schneller als je zuvor entwickeln sich auch vermeintlich unveränderliche Geschäftsmodelle
Bewegung in den Markt kommt darüber hinaus wie immer wieder erwähnt durch die fortschreitende und vieldimensionale Digitalisierung unserer Branche. An einer optimierten, effizienteren Dienstleistung für den Kunden führt definitiv kein Weg vorbei. Und auch die Digitalisierung trennt in unserer Branche die Spreu vom Weizen - in jene Dienstleister nämlich, die sich die enormen Investitionen in digitale Technologien leisten können und jene, die diesbezüglich außen vor bleiben. Eine beschleunigte Fortschreibung der Branchenkonsolidierung ist die Folge.
Schneller als je zuvor entwickeln sich auch vermeintlich unveränderliche Geschäftsmodelle. Gute Beispiele sind die "Flexibilisierung" der Büroan- und -vermietung sowie der aktuelle Megatrend des sogenannten "Coworking". In kürzester Zeit hat sich die Bürovermietung in den innerstädtischen Toplagen der deutschen Immobilienhochburgen den veränderten Kundenbedürfnissen angepasst und neue Anbieter hervorgebracht. Mehr als die Hälfte aller Coworking-Arbeitsplätze sind in den Big 7 zu finden und entsprechende Flächen machen mittlerweile 15 % des gesamten diesjährigen CBD-Flächenumsatzes aus. Vor allem Berlin ist der Top-Coworking-Standort Deutschlands. JLL hat dieses neue Marktsegment von Beginn an eingehend analysiert. Mit dem neuen Service JLL Flex Space haben wir ein spezialisiertes und bereichsübergreifendes Beratungsteam geschaffen, das unser Serviceangebot schärft. Im Unterschied zu einzelnen Wettbewerbern haben wir uns ganz bewusst entschieden, unseren Kunden maßgeschneiderte Beratungsdienstleistungen anzubieten, ohne selbst als Eigentümer, Betreiber oder Vermieter entsprechender Flächen in Erscheinung und mit unseren Kunden in Wettstreit zu treten.
Ein Thema, das die Immobilienbranche nicht nur in Deutschland, aber vorzugsweise hier, bewegen wird, ist die hoch ambitionierte Zielsetzung der EU, bis 2050 die Klimaneutralität erreicht zu haben. Die EU-Kommission spricht in diesem Zusammenhang von einer "Elektrifizierung der Wirtschaft". Wir haben es also in gleicher Weise mit einer Elektrifizierung der Immobilienbranche zu tun. Die Abkehr von Öl, Kohle und Gas bedeutet, dass unsere Immobilien künftig mit Strom geheizt werden sollen. Ohne Zweifel ein Jahrhundertprojekt, das gigantische Planungs- und Infrastrukturmaßnahmen voraussetzt.
Rückblick auf 2018
Im Rückblick auf 2018 hat sich der Zyklus als weiterhin intakt erwiesen. Weder ein moderat steigendes Zinsniveau noch ein sich ausweitendes Flächenangebot haben Anzeichen für eine Wende gegeben. Auch gibt es keine Belege für ein "Ich kaufe jedes Objekt zu jedem Preis-Verhalten" der Investoren.
Das Transaktionsvolumen steigt kontinuierlich seit 2010. 2018 könnte es zumindest für gewerblich genutzte Immobilien mit 60 Mrd. Euro ein neues Rekordjahr in Deutschland geben. Das allein wäre eine Verdreifachung seit 2010. Inklusive der Nutzungsklasse "Living" wird sich das Transaktionsvolumen voraussichtlich auf 76 Mrd. Euro summieren. Der Bestwert aus dem Jahr 2015 mit 80,3 Mrd. Euro wird aber wohl nicht übertroffen werden.
Die beliebteste Assetklasse unter den gewerblich genutzten Immobilien bleibt nach wie vor Büro. Auf sie entfällt ein Anteil von rund 45%. Für diese transaktionsstärkste Nutzungsart zeigt sich auch im vierten Quartal ein nur noch moderater Renditerückgang für Top-Produkte in den besten Lagen. Über alle sieben Hochburgen hinweg hat sich die gemittelte Spitzenrendite von 3,11% im Vergleich zum Vorquartal noch einmal leicht verringert. Im 12-Monatsvergleich ergibt sich ein Rückgang um 16 Basispunkte. Für 2019 gehen wir davon aus, dass sich die Renditen auf diesem Level einpendeln werden.
Vor dem Hintergrund eines Mietpreiswachstums von knapp 5% ist nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit starker Renditekompression und zweistelligen Wertsteigerungen bei Büroimmobilien für 2018 wieder mit einem etwas moderateren Wertzuwachs zu rechnen. Dieser liegt in der Aggregation über alle sieben Hochburgen 2018 bei knapp 10%. Im nächsten Jahr dürfte er sich aufgrund der stabilen Renditen dann auf 3% weiter deutlich abschwächen.
Top-Produkte werden auch im nächsten Jahr rar und die Nachfrage dementsprechend unverändert hoch bleiben. Die Investoren werden deshalb auch 2019 Produkte oder Lagen in den Big 7 ins Auge fassen, die nicht die Definition von "Core" erfüllen. Dies wird sich auch in den Renditen widerspiegeln und dazu führen, dass sich etwa die Renditekompression für Objekte in den Top-Lagen, die eine schwächere Gebäudequalität oder kürzere Vertragsrestlaufzeiten aufweisen, fortsetzt und der Abstand zur Spitzenrendite sich von rund 100 Basispunkten zu Jahresbeginn 2017 auf aktuell rund 80 Basispunkte reduzieren könnte.
Die nach wie vor stärkste Dynamik bei der Renditeentwicklung ist allerdings weiterhin im Logistikimmobilien-Segment zu beobachten. Der weiter prosperierende Online-Handel und dessen positive Zukunftsaussichten zieht ausländische Investoren in diese Assetklasse, die längt kein Nischenprodukt mehr ist. Am Ende des Jahres 2018 liegt die Spitzenrendite bei 4% und damit 70 Basispunkte niedriger als noch Ende 2017. Auch hier erwarten wir für 2019 eine Stabilisierung auf diesem niedrigen Niveau.
Für Logistikimmobilien liegen die Wertsteigerungen 2018 bei rund 12 %, damit dürfte auch hier der Höhepunkt erreicht sein.
Wohin bewegen wir uns? Weiter aufwärts, seitwärts oder abwärts?
Soweit zum Status. Aber wohin bewegen wir uns? Weiter aufwärts, seitwärts oder abwärts?
Die Nachfrage nach Immobilien wird auch 2019 hoch bleiben. Ein Transaktionsvolumen für gewerblich genutzte Immobilien in Höhe von bis zu 55 Mrd. Euro erscheint auch 2019 erreichbar.
Für institutionelle Wohnimmobilientransaktionen könnten bis zu 15 Mrd. Euro anfallen. Das Gesamtvolumen dürfte dann mit rund 70 Mrd. Euro etwa 10% niedriger ausfallen als 2018.
Erst nach 2019 könnte ein moderater Zinsanstieg dafür sorgen, dass in der Folge auch die Immobilienrenditen leicht ansteigen. Die möglichen Wertverluste können zwar bereits bei kleineren Renditeveränderungen signifikant ausfallen. Durch eine positive Mietpreisentwicklung auf Basis einer weiterhin stabilen konjunkturellen Lage, könnten die Wertverluste aber zu einem beträchtlichen Teil kompensiert werden. Und dieses Szenario wird sich voraussichtlich eher abseits von Core abspielen.
In unserem Basisszenario erwarten wir für das Jahr 2020 den Höhepunkt der derzeitigen Zyklusphase. Eine Zinserhöhung erscheint 2020 nicht unwahrscheinlich zu sein und wird von vielen Marktteilnehmern auch erwartet. Es ist davon auszugehen, dass sich durch eine Zinserhöhung Finanzierungskonditionen verschlechtern und sich insbesondere typische Anleiheinvestoren wie zum Beispiel Versicherungen und Pensionskassen wieder verstärkt dem Anleihemarkt zuwenden, was dem Immobilienmarkt einen Teil der Nachfrage entzieht und zu sinkenden Transaktionsvolumina führen würde.
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Dorothea Koch,
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