Online First-Strategie ist kein Allheilmittel für Verlage
Hamburg (ots)
Mit einer reinen Online First-Strategie werden die deutschen Tageszeitungen die Herausforderungen des digitalen Zeitalters nicht allein meistern können, so ein Fazit des gestrigen media coffees in Köln. Auf Einladung der dpa-Tochter news aktuell waren gut 200 Kommunikationsfachleute und Journalisten ins Kölner Komed-Tagungszentrum gekommen. Der Titel der Diskussionsveranstaltung lautete "Von der Edelfeder zum Contentlieferanten? - Printmedien im Wandel". Meinolf Ellers, Geschäftsführer von dpa-infocom, leitete die Gesprächsrunde.
Ulrich Reitz, Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, erteilte einer reinen Online First-Strategie für sein Blatt eine klare Absage. "Eine Online First-Strategie wird es bei der WAZ nicht geben. Ob wir Online First machen, wird bei uns immer vom Einzelfall abhängen", erklärte Reitz. Chefredakteur Jost Springensguth von der Kölnischen Rundschau unterstrich die Stärken der traditionellen Lokalzeitungen gegenüber dem Internet. "Die deutschen Zeitungen erwirtschaften mit ihren Printprodukten zwischen 80 und 90 Prozent ihrer Umsätze. Wir reden also über 10 bis 20 Prozent, für die noch nicht wirklich klar ist, wie damit Geld verdient werden kann. Die geschlossene Benutzergruppe, die wir als Zeitungsverlag heute ansteuern können, wird es aber so nie wieder geben", machte Springensguth deutlich.
Kritisch betrachtete Torsten Zarges, Köln-Korrespondent des Kress Report, die Aktivitäten der deutschen Verlage im Internet. "Große Orientierungslosigkeit herrscht landauf- und landab bei den Verlegern. Alles was man zur Zeit sieht sind eher hilflose Versuche so genannter Onlineoffensiven." Ähnlich argumentierte Prof. Dr. Günther Rager vom Institut für Journalistik an der Universität Dortmund: "Ich habe die Sorge, dass die Verlage ihre Hausaufgaben nicht machen. Es gibt zu wenig Chefredakteure, die genau im Kopf haben, was die digitale Entwicklung bringen wird. Ich fürchte sie werden sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können."
Thomas Knüwer, Redakteur beim Handelsblatt und Initiator des Blogs "Indiskretion Ehrensache" betonte dagegen die Innovationsmöglichkeiten des Internets. "Die deutschen Verleger müssen auf Knien dankbar sein für die Erfindung des Netzes", sagte Knüwer. Dem Modell Leserreporter, wie es die BILD Zeitung praktiziere, erteilte der bekannte Blogger jedoch eine Absage. "Leserreporter sind nur erfolgreich, wenn sie auch wirklich regelmäßig schreiben. Und auch unter ihrem eigenen Namen. Diese Leute müssen dann letztendlich selbst zur Marke werden. Dann kann es funktionieren. Vom Prinzip Leserreporter, wie es die BILD produziert, halte ich sehr wenig." Außerdem wies Knüwer darauf hin, dass Blogs keine Konkurrenz für Zeitungen seien, sondern vielmehr eine Ergänzung. "Blogger sind auch in Zukunft gleichzeitig Leser".
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