BLOGPOST PR-Profis von morgen: Generalisten in verschiedenen Rollen
Quo vadis PR? In den letzten Wochen haben wir uns in TREIBSTOFF immer wieder mit den zukünftigen Anforderungen an PR-Profis beschäftigt. Nach Romy Fröhlich (LMU München) kommt Ansgar Zerfaß zu Wort. Der Professor für strategische Kommunikation an der Uni Leipzig glaubt, dass Spezialwissen schnell an Grenzen stößt. Gebraucht werden Generalisten, die bewusst in verschiedene Rollen schlüpfen können.
TREIBSTOFF: Die Aufgaben im Kommunikationsmanagement differenzieren sich immer mehr aus. Was bedeutet das für das Berufsbild der PR?
ZERFAß: Von PR würde ich in dem Zusammenhang gar nicht mehr sprechen, das ist viel zu eng gefasst. Kommunikation muss immer integriert und konvergent gedacht werden. Neue Anforderungen entstehen etwa bei der Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen, weil immer mehr Plattformen gleichzeitig bedient werden müssen und Spezialthemen wie SEO/SEA, visuelle Kommunikation und vieles mehr dazu kommen.
Ebenso wichtig sind aber neue Aufgaben auf der Management-Ebene: Integrierte Planung, Performance Management, Benchmarking, Kompetenzmanagement, das Führen internationaler Teams in Netzwerken. Aber auch das Befähigen von anderen in der Organisation, die selbst mit Bezugsgruppen kommunizieren müssen, weil eine zentrale Steuerung durch die Kommunikationsabteilung längst nicht mehr möglich ist. Diese Dynamik wird weiterhin anhalten. Deshalb stößt auch Spezialwissen schnell an Grenzen: Was morgen gefragt ist, wird übermorgen schon wieder outgesourct oder automatisiert sein. Gefragt sind vor allem Generalisten, die verschiedene Rollen wahrnehmen können und sich dessen bewusst sind.
TREIBSTOFF: Welche zukünftigen Fähigkeiten brauchen PR-Profis?
ZERFAß: Dazu forschen wir seit mehreren Jahren auf europäischer Ebene. Die wichtigsten Kompetenzen haben wir gerade in einem Buch zu "Communication Excellence" in vier Punkten zusammengefasst:
1. Empathie, soziale und organisationale Kompetenz: Das heißt, PR-Profis müssen andere Organisationsmitglieder kommunikativ befähigen, Dialoge initiieren und über kulturelle Grenzen hinweg moderieren; sie müssen Machtprozesse verstehen und Koalitionen bilden sowie globale Projekte steuern können.
2. Vermittlungskompetenz: Kommunikatoren sollten Kenntnisse über Kommunikationsprozesse und -wirkungen haben, über Medienrezeption und öffentliche Meinungsbildung. Und sie sollten sich im Beziehungsmanagement auskennen.
3. Analyse- und Managementkompetenz: PR-Manager brauchen Methodenkenntnisse, sie müssen Daten interpretieren und Management-Tools anwenden können; weiterhin wichtig sind Führungsfähigkeiten und Erfahrungen in Personal-, Organisations-, Budgetmanagement;
4. Wissen über die Gesellschaft: PR-Profis müssen die Prozesse in Gesellschaft, Politik, Recht und Ökonomie verstehen und Megatrends identifizieren.
TREIBSTOFF: Welche Rolle spielen zukünftig Textautomatisierungstechnologien und Chatbots für die PR?
ZERFAß: Routineaufgaben werden immer stärker durch Software übernommen oder zumindest vorstrukturiert. Das gilt sowohl für die Recherche als auch für die Aufbereitung und Bereitstellung von Inhalten. Im klassischen Vertrieb und Kundenbeziehungsmanagement sehen wir, wie persönliche Kommunikation und Betreuung durch Technologien ersetzt wird. Man denke etwa daran, wie wir alle heute Konzerttickets kaufen und ausdrucken, Flüge buchen, uns und unser Gepäck selbst einchecken, und so fort.
Ebenso kann man Presseinformationen und personalisierte Inhalte für Intranets in der Mitarbeiterkommunikation automatisiert zusammenstellen, vor allem im internationalen Maßstab. Big Data und Automatisierung werden skalierbare Aufgaben im Kommunikationsmanagement übernehmen. Das bedroht die Jobs im mittleren Management - wie es heute bereits bei Steuerberatern und ähnlichen Berufen zu sehen ist.
TREIBSTOFF: Wie können sich die gestandenen PR-Profis im Alltag für die Zukunft fit machen?
ZERFAß: Man muss ständig am Ball bleiben und die eigene Rolle reflektieren, ganz ohne Tabus. Kommunikationsabteilungen sind in den letzten Jahrzehnten als Spezialeinheiten entstanden. Dabei wurde die an sich ganzheitlich zu denkende Kommunikationsfunktion aufgrund berufsständischer Bemühungen um Abgrenzung und Identifikation weiter aufgesplittet in PR, Marketingkommunikation, Investor Relations, Betriebspublizistik beziehungsweise später Interne Kommunikation, und so weiter. Das alles verbunden mit der Vorstellung, dass die vielfältigen Kommunikationsanforderungen von Organisationen von den zuständigen Fachabteilungen zentral geplant und umgesetzt werden können.
Diese Illusion ist geplatzt. Im Zeitalter fragmentierter Öffentlichkeiten und polyphoner Kommunikation muss man über ein neues Selbstverständnis von Kommunikationsabteilungen und Kommunikatoren nachdenken. Dazu bedarf es umfassenden Kommunikationswissens, vor allem aber auch Management-Knowhow. Deshalb sollte man sich jenseits der handwerklichen Dinge und der eigenen Branche weiterbilden.
Wir haben beispielsweise gerade an der BI Norwegian Business School in Oslo ein englischsprachiges Executive-Programm "Communciation for Leaders" konzipiert, das sich sowohl an Geschäftsführer und Führungskräfte richtet, die wissen wollen, wie man mit Kommunikationsabteilungen umgeht und deren Potenziale nutzen kann, als auch an Kommunikationsprofis, die sich weiterentwickeln und einen integralen Beitrag zur Wertschöpfung leisten wollen. Das sind ganz neue Ansätze, die über das Erlernen neuer Tools und Technologien hinausgehen und neue Perspektiven vermitteln. Ich bin mir sicher, dass wir so etwas künftig noch stärker sehen werden.
Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:
http://treibstoff.newsaktuell.de/pr-profis-generalisten/
Die aktuelle TREIBSTOFF-Ausgabe zum Download: https://www.newsaktuell.de/pdf/treibstoff_ausgabe_10.pdf
Was ist TREIBSTOFF?
TREIBSTOFF ist das Blog der dpa-Tochter news aktuell. Es geht dort um die Themen Kommunikation, Pressearbeit und Social Media. Und manchmal auch um news aktuell selbst. Welche Trends, welche Apps, welche Themen bewegen Kommunikationsfachleute heute? Wie sieht unser Arbeitstag aus? Was ist wichtig für die Karriere? Best Practice, Interviews und Gastbeiträge warten auf PR-Profis und Pressesprecher. Ein Mal pro Quartal gibt es TREIBSTOFF auch als gedrucktes Magazin.