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BLOGPOST: Nicht mehr Bergsteigen, sondern Wellenreiten: Karriere 4.0

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Immer weiter nach oben: In der Vergangenheit war "Karriere" der Begriff für einen eindimensionalen Berufsweg. Und heute? Was bedeutet Karriere in Zeiten von New Work und Work-Life-Balance? Und wie können wir unsere persönliche Weiterentwicklung im Job vorantreiben? Von Stephan Dahrendorf

Die Karriere ist die persönliche berufliche Laufbahn eines Menschen. Bereits vor hundert Jahren vertrat man die Ansicht, dass Karrieren aufwärts, seitwärts oder abwärts verlaufen können. Umgangssprachlich steht der Begriff heutzutage eher für einen beruflichen Aufstieg, wird also verbunden mit höheren Positionen, mehr Verantwortung, mehr Geld und einer höheren sozialen Position.

Dabei besteht grundsätzlich der Wunsch nach einem gesunden Ausgleich von Beruf und Privatleben. Dieser Wunsch, nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance, ist sogar so alt wie das Arbeitsleben selbst, auch wenn man ihn der sogenannte Generation Y heute in besonderer Weise zuschreibt.

Ist es heute einfacher, sich seine beruflichen Wünsche zu erfüllen? Dafür spricht die Bevölkerungsentwicklung, die den Jüngeren die Möglichkeit eröffnet, wählerischer bezüglich ihres Arbeitgebers zu sein. Auf der anderen Seite reduzieren die als attraktiv geltenden Arbeitgeber die Zahl der anspruchsvollen Positionen Schritt für Schritt. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle, der Blick auf die Kosten von Arbeitskräften ist - auch das ist keine Veränderung zu früher - das leitende Motiv für unternehmerische Entscheidungen.

Was ist heute eine Karriere?

Ein mir bekannter Abteilungsleiter hat eine Beförderung mit dem Hinweis abgelehnt, er werde in diesem Jahr Vater, und die für die neue Stelle erforderliche volle Energie könne und wolle er in diesem Jahr nicht aufbringen. Die Leiterin einer Rechtsabteilung in einem mir gleichfalls bekannten Unternehmen hat nun, nachdem sie über Jahre in Teilzeit gearbeitet und sich um ihre Mitarbeiter und ihre Kinder in gleicher Weise gekümmert hat, wieder aufgestockt und mehr Verantwortung übernommen. Die Geschäftsführerin einer Hilfsorganisation tritt nach acht Jahren Vollzeitarbeit, verbunden mit der Führung von 30 Mitarbeitern und der Organisation von zwei Kindern, nun etwas kürzer, um mehr für die pubertierenden Kinder da zu sein. Diese Liste ließe sich fast ins Unendliche fortsetzen.

In der Vergangenheit war "Karriere" der Begriff für einen eindimensionalen Berufsweg: es sollte nach oben gehen. Heute verstehen wir "Karriere" als Begriff für das optimale Ausschöpfen aller individuellen beruflichen Möglichkeiten. Der Weg kann zu mehr Verantwortung, neuen Projekten, Mitarbeiterführung und Budgetverantwortung führen. Gerade das Tempo der technischen Veränderungen führt aber dazu, dass auch eine einzige Position nur dann über viele Jahre von einer Person gehalten werden kann, wenn sie sich den veränderten Rahmenbedingungen, neuen Prozessen, neu eingeführten Maschinen und aktualisierter Software anpasst. Wer Veränderungen annimmt, im besten Fall sogar voraussieht, wird sich in der Organisation am besten halten. Karriere ist nicht mehr Bergsteigen, sondern Wellenreiten.

Karriere macht, wer seine beruflichen Möglichkeiten optimal ausschöpft. Das heißt: Wer besondere Talente hat, die er oder sie im Beruf einsetzen kann, wer sagen kann, Spaß an der Arbeit zu haben, wer mit einer gewissen Leichtigkeit Erfolge erzielt, ist beruflich am richtigen Platz. Wer Abwechslung braucht, schnell lernt, führen will, Entscheidungen zu treffen liebt oder Interesse an einem höheren Status in der Organisation hat, wird einen beruflichen Aufstieg als das Optimum empfinden. Wer an alldem kein so großes Interesse hat, und das ist üblicherweise die Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen, ist mit dem Fortbestehen des gegebenen Arbeitsverhältnisses zufrieden und findet berufliche Erfüllung darin, die Arbeit so gut wie möglich zu erledigen. Beide Berufswege sind für mich Karrieren. Sie zu bewerten, also die eine höher, die andere geringer einzuschätzen, halte ich nicht für angemessen.

Tatsache in der heutigen Berufswelt ist: Es gibt alle Modelle. Führung in Vollzeit, Führung in Teilzeit, Frauen als Führungskräfte, Männer als Führungskräfte, Aufwärtskarrieren, Seitwärtskarrieren, sogar freiwillige Abwärtskarrieren. Einen Softwareentwickler haben wir mal zum Teamleiter ernannt, nach einem Jahr hat er uns gebeten, wieder einfacher Entwickler sein zu dürfen. Einfache Aussagen, mit denen alle Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter über einen Kamm geschoren werden, haben heute keine Gültigkeit mehr (wenn sie es denn je hatten).

Was kann eine Beförderung bremsen? Ich glaube, mittlerweile habe ich die meisten denkbaren Konstellationen schon einmal gesehen. Mal fehlt das Selbstvertrauen, mal der Wille, mal fehlt eine Kompetenz, mal ein Mentor in der Organisation. Am Ende eines Besetzungsverfahrens gibt es ja immer mehr als einen Kandidaten oder eine Kandidatin. Wer das Rennen macht, hat irgendeinen Vorteil. Der Verlierer oder die Verliererin hat diesen einen Faktor nicht. Die Diskussionen darüber bewegen sich, jedenfalls in großen Organisationen, auf einem sehr hohen Niveau. Dass bestimmte Personengruppen per se ausgeschlossen würden, weil sie Frauen oder Männer oder Alte oder Junge oder dieser oder jener Hautfarbe wären, kommt - wohl gemerkt in gut organisierten Unternehmen - nicht mehr vor.

Aber es gibt natürlich noch die vielen mittelständischen und kleinen Unternehmen. Von objektivierten Auswahlverfahren ist dort nicht immer auszugehen, auch die Beteiligung mehrerer Führungskräfte oder sogar der zukünftigen Kollegen, ist nicht immer gegeben. Darin kann ein Hindernis für Karrieren liegen, tatsächlich kann aber auch das genaue Gegenteil geschehen: Karrieren werden von Eigentümer, Vorstand oder Geschäftsführer schnell und unkompliziert vorangebracht, wenn besondere Leistung erkennbar und ein besonderes Vertrauensverhältnis entstanden ist.

Fehler sind hingegen fast nie ein Hindernis für Karrieren. Fehler waren schon immer Quelle für Erkenntnis. Das wussten schon die alten Griechen. Sie sind quasi Pflicht in der Ausbildung, im studentischen Praktikum, im Traineeprogramm oder für Berufsanfänger. Wenn sich kulturell etwas verändert, sprich: verbessert hat, dann ist sind es die goldenen Regeln von Unternehmen, in denen Fehler inzwischen ihren festen Platz gefunden haben. Bei XING, meinem letzten festen Arbeitgeber, haben wir als eine von fünf Regeln festgeschrieben: Make mistakes! Das war dann doch irgendwie neu. Aus der Softwareentwicklung kennen wir die Anforderung: Fail fast. Scheitere schnell. Stecke nicht unnötig viel Energie in einen Lösungsansatz, von dem schnell klar ist, dass er keinen Erfolg bringen wird. Je schneller Du gescheitert bist, desto schneller kannst Du Dich um die Entwicklung einer neuen Lösung kümmern.

Auch Teilzeit steht einer Karriere nicht im Weg, dafür gibt es viele Beispiele. Ich bin aber überzeugt davon, dass es bis heute Führungskräfte gibt, die Führungsaufgaben und Teilzeit für nicht miteinander vereinbar halten. Objektiv steht der Führung von Mitarbeitern in Teilzeit nichts im Weg. Schon deshalb, weil Führungskräfte und Mitarbeiter sich oft nicht an einem Ort befinden. Schon dadurch ist eine Koordination erforderlich, wenn Kommunikation stattfinden soll. Diese um eine zeitliche Komponente zu ergänzen, ist völlig problemlos. Die vielen vorhandenen technischen Möglichkeiten unterstützen die Kommunikation zwischen den Beteiligten in bester Weise.

Bremsen Kinder die Karriere? Ja. Das ist schwer zu bestreiten. Und zwar schon deshalb, weil Eltern (natürlich überwiegend Mütter, immer häufiger aber auch Väter, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen wollen) glauben, die Kinder bremsten ihre Karriere. Dieser Glaube ist bei allen Beteiligten so fest verwurzelt, dass nur besonders günstige Bedingungen wie erhöhter Einsatz, ein Mentor im Unternehmen, eine besondere Unternehmens-Policy, ständige Erreichbarkeit, Aufsichnehmen der Doppelbelastung oder andere, zu einer Karriere trotz Kindern führen.

Unzufrieden im Job? Dann stellen Sie sich folgende Fragen:

1. Welches berufliche Ziel habe ich?

Es muss konkret sein, sonst ist es nicht hilfreich. Zum Beispiel: die Position meines Chefs in spätestens zwei Jahren. Oder die Versetzung in eine andere Abteilung binnen drei Jahren. Oder der Wechsel zum nächstgrößeren Wettbewerber in meiner Branche binnen der nächsten vier Jahre.

2. Was spricht dafür, dass ich mein Ziel erreiche, was spricht dagegen?

Diese Fragen kann man nur sehr schlecht für sich alleine beantworten. Hier ist eine Umfeldanalyse erforderlich, für die Informationen eine Rolle spielen, über die man meist selbst nicht verfügt. Zum Beispiel: Welche anderen Kandidaten kommen für die Beförderung in Betracht? Von welcher Geschäftsentwicklung gehen wir aus? Welche Strategie verfolgt das Unternehmen? Wie wird meine Leistung gesehen? Welches Potenzial sieht die Unternehmensleitung in mir? Lassen Sie sich von dem Fehlen vieler Informationen nicht abhalten, diese Fragen besonders sorgfältig zu beantworten. Suchen Sie den Austausch darüber mit Führungskräften, Kollegen, Freunden oder einem Coach. Schritt für Schritt gelingt es Ihnen besser, auf sich selbst aus der Perspektive eines Dritten zu schauen. Sie werden zu interessanten Erkenntnissen kommen.

3. Was kann ich tun, um meine Chancen zu verbessern?

Die Antworten ergeben sich aus den zuvor ermittelten Karriere-Hindernissen. Liegen diese im fachlichen Bereich, fehlt Ihnen Wissen oder Erfahrung. Liegen sie im persönlichen Bereich, brauchen Sie vielleicht weitere Fürsprecher in der Organisation. Liegen sie in der Sphäre des Unternehmens, müssen Sie eventuell einen Arbeitgeberwechsel in Betracht ziehen.

4. Welche Preis bin ich bereit, zu zahlen?

Hier geht es um die inneren Faktoren, die Sie selbst ihrem beruflichen Fortkommen in den Weg stellen. Vielleicht wollen Sie nicht umziehen, eine bestimmte Arbeitszeit pro Woche nicht überschreiten, sich nicht auf die Untiefen der politischen Spielchen im Unternehmen einlassen, mit bestimmten Kollegen nicht zusammenarbeiten. Je weniger solcher für Sie unveränderlichen Rahmenbedingungen es gibt, desto flexibler sind Sie einsetzbar. Aber Vorsicht: Bedenken Sie Ihre Position zu allen diesen Fragen in Ruhe und gemeinsam mit Partner, Freunden und Familie. Der Preis unendlicher beruflicher Flexibilität kann hoch sein, und ist meist im privaten Bereich zu zahlen.

Stephan Dahrendorf leitet seit 2012 die Geschäfte der Personalmanagement-Agentur Inplace in Hamburg. Vorher war der studierte Volljurist Vice President Human Ressources bei XING.

Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:

https://www.newsaktuell.de/academy/karriere-4-0-stephan-dahrendorf/

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TREIBSTOFF ist das Blog der dpa-Tochter news aktuell. Es geht dort um die Themen Kommunikation, Pressearbeit und Social Media. Und manchmal auch um news aktuell selbst. Welche Trends, welche Apps, welche Themen bewegen Kommunikationsfachleute heute? Wie sieht unser Arbeitstag aus? Was ist wichtig für die Karriere? Best Practice, Interviews und Gastbeiträge warten auf PR-Profis und Pressesprecher. Ein Mal pro Quartal gibt es TREIBSTOFF auch als gedrucktes Magazin.