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BLOGPOST: Digital Leadership: Was Führungskräfte jetzt können müssen

BLOGPOST: Digital Leadership: Was Führungskräfte jetzt können müssen
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Die vergangenen zwölf Monate haben unser Arbeitsleben komplett auf den Kopf gestellt. Das gilt für Mitarbeiter*innen eines Unternehmens – aber auch für die Führungskräfte. Digital Leadership - also das Führen von virtuellen oder hybriden Teams - ist das Schlagwort der Stunde. Das stellt Führungskräfte immer noch vor neue Herausforderungen. Welche Rolle sie nun ausfüllen müssen, welche neue Kompetenzen sie brauchen und inwiefern Unternehmen, die ihre Mitarbeiter*innen empatisch durch die Krise führen, am Ende einen wirtschaftlichen Vorteil haben, dazu haben wir mit Barbara Liebermeister vom Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) gesprochen.

news aktuell: Im vergangenen Jahr mussten wir alle unsere Art zu arbeiten umstellen - das gilt aber auch für Führungskräfte. Wie haben sich die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Remote Arbeiten verändert? Und wie in der Folge auch die Rolle der Führungskraft?

Liebermeister: Wir kommen aus einer Command and Control gesteuerten Führungslandschaft. Die Prozesse in der Vergangenheit waren standardisiert, straff durchorganisiert und eng an die Führungskraft gebunden. Qua Status war es ja möglich, dass die Führungskraft Ansagen machte, die dann umgesetzt werden mussten. Jetzt entfällt ein Großteil dieses Führungsstils, von heute auf morgen ist alles anders geworden. Auch für eine Führungskraft ist das eine große Umgewöhnung.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unsicher, haben vielleicht Angst um ihren Job und bemühen sich nach Kräften, alles „irgendwie hinzukriegen“. Dabei geht es oft einfach nur darum, im Digitalen das hinzubekommen, was wir vorher im Analogen ganz selbstverständlich getan haben. Aber: Wo bleibt das, was Führung tatsächlich ausmacht? Beziehung und Vertrauen sind die Basis guter Führung.

Der einfache Transfer des Organisatorischen ins Digitale hat Schwachstellen. Mitarbeiter wollen entwickelt werden, mit Kollegen in den Austausch gehen, in Teams arbeiten und Projekte begleiten. Allerdings, das sagen Neurowissenschaftler, ist das menschliche Gehirn nicht darauf ausgelegt, acht Stunden am Stück in einer digitalen Umgebung zu arbeiten. Es sind lediglich drei mal eineinhalb Stunden am Tag, die unser Gehirn effizient im Digitalen arbeiten kann.

Führung ist deshalb viel mehr! Arbeit muss achtsamer sein, gelungene Kommunikation ist zentral und vielleicht hilft ein Medienbruch, wenn ich statt zu chatten, schnell mal zum Telefon greife und anrufe. Wichtig ist aber dennoch, über die digitalen Möglichkeiten, die uns heute ja zur Verfügung stehen, den Kolleginnen und Kollegen so nah wie möglich zu sein.

news aktuell: Inzwischen haben sich viele an das Arbeiten in virtuellen oder hybriden Teams gewöhnt. Dennoch gibt es immer noch große Herausforderungen, insbesondere, wenn es darum geht, die Teams auf eine lange Strecke mental und emotional zusammenzuhalten und einer Entfremdung zum Unternehmen entgegenzuwirken. Mit welchen konkreten Maßnahmen von Seiten der Führungskräfte kann das gelingen? Sicherlich nicht nur mit virtuellen "Coffee Dates", oder?

Liebermeister: Nein, virtuelle Coffee-Dates sind gut, aber Fakt ist ja, dass ich als Führungskraft näher an den Menschen ran muss. Hier helfen identitätsbildende Maßnahmen, die das Team noch stärker in Entscheidungsprozesse und Optimierungen einbindet. Da virtuell vieles noch ausgeprägter zutage tritt, helfen wöchentliche Kickoff-Meetings, die zum Beispiel den Start in die Woche kennzeichnen. In diesen Meetings muss ich als Führungskraft abfragen, was toll läuft, aber auch, wo der Schuh drückt. Welche Steine liegen im Weg, die es wegzuräumen gilt? Welche Prozesse laufen digital ganz gut, könnten aber auf andere Weise besser laufen? Worauf freut ihr euch diese Woche? Was belastet eher? Hier können auch gewisse Meeting-Regeln helfen, damit auch alle einmal zu Wort kommen.

Oder Sie kochen zusammen mit Ihrem Team! Unter meinen Kunden ist ein amerikanisches Unternehmen, das genau das getan hat: eine Koch-Session. Die war eigentlich nur für eine Stunde angesetzt, erstreckte sich dann über drei Stunden. Warum? Ein Kollege konnte besonders gut Gnocci machen. Das hielt die Truppe eine ganze Weile an den Displays. Und so ganz nebenbei lernt man sich noch besser kennen, hat andere Themen als die, die unsere Arbeit bestimmen und stärkt das Team in sich.

Eine schöne Idee ist auch, die vielen Stunden, die ich als Führungskraft nicht mehr auf Reisen bin, einfach meinem Team zu schenken. Das kann mit einem besonderen Eintrag im Kalender geschehen, in den sich jede oder jeder aus dem Team eintragen kann. Ein Eintrag, der vielleicht schlicht „Open to talk“ lauten könnte. Das hört sich vielleicht nach Kleinigkeiten an, aber die sind mächtig in ihrer Wirkung.

Unsere Arbeit wird weiter digital bleiben, und der Anteil, der das Digitale in unserer Arbeit ausmacht, wird größer. Da ist es wichtig, das Menschliche nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist natürlich nichts anderes, als es schon im Analogen war. Das Digitale verstärkt einfach nur alles. Im Übrigen: Wer schon vor der Pandemie keine gute Beziehung zu seinem Team hatte, wird es schwer haben: Das Digitale verstärkt auch das.

news aktuell: Welche - möglicherweise neuen - Kompetenzen brauchen Führungskräfte für diese Aufgabe, also dafür, eine positive Teamkultur aufrechtzuerhalten?

Liebermeister: Unser Institut hat 2019 eine Studie gemacht, die nächste wird diesen Herbst erscheinen. Damals haben wir genau das abgefragt und haben als Antwort 86 Kompetenzen erhalten, die eine Führungskraft heute und morgen haben muss. Unter den Top 10 ist eine der aus meiner Sicht wichtigsten Kompetenzen auf dem letzten Platz gelandet. Das ist die Fähigkeit, Heterarchie zuzulassen – das Gegenteil von Hierarchie. Also die Fähigkeit, in der Führung zukünftig auf Selbstbestimmung und Selbststeuerung zu setzen. Mit der Heterarchie einher gehen auch Entscheidungen, die nicht Bottom-down gefällt werden, sondern genau anders herum: Bottom-up. Die Zukunft des Führens ist Teaming. Das setzt Veränderungsfähigkeit voraus – eine Kompetenz, die übrigens auf Platz zwei in unserer Studie gelandet ist. Auf Platz eins mit weitem Abstand war übrigens Kommunikationsfähigkeit.

Eine Fähigkeit, die Führungskräfte ja früher auch schon brauchten, werden viele jetzt einwenden. Richtig, aber: In einer Krise wie dieser muss über das übliche Maß hinaus miteinander kommuniziert werden, es muss also eine Art „Überkommunikation“ stattfinden.

Führungskräfte müssen sich darüber hinaus bewusst sein, was die Zusammenarbeit der digitalen Medien mit den Köpfen, mit dem Herzen, mit der Kommunikation, mit der Kooperation macht und wo sie dann entgegenwirken müssen. Auf Platz 3 unserer Studie steht entsprechend, „den Mitarbeiter, den Menschen in den Mittelpunkt stellen“. Auf Platz 4 kommt die Strategiefähigkeit. Aber, die Heterarchiefähigkeit auf Platz 10 sehe ich als eine der wichtigsten Kompetenzen, die eine Führungskraft in den vergangenen zehn Monaten benötigt hat.

Außerdem muss ich als Führungskraft ein Inspirator sein. Manchmal sage ich sogar, dass ich wie ein Fußballtrainer agieren muss. Warum? Ich würde auch nie einen Linksaußen-Spieler ins Tor stellen. Das heißt, ich schau auf die Stärken und Schwächen meiner Teammitglieder und setze sie entsprechend ein. Und nicht, wie es in Deutschland leider oft noch gehandhabt wird, dass häufig auf die Fehler und die Schwächen der Mitarbeiter geschaut wird und wie man sie am schnellsten ausmerzen kann. Nicht zuletzt: Wenn ich als Chefin auf die Stärken meiner Leute schaue und sie auch regelmäßig unterstreiche, habe ich gleich ein ganz anderes Gefühl.

news aktuell: Aktuell wird auch viel vom sogenannten "Vulnerable Leadership" gesprochen, also als Führungskraft eigene Schwächen zu teilen und damit Vertrauen und Wir-Gefühl zu stärken. Ist das richtig?

Liebermeister: Sicher! Nur so wird aus meiner Sicht die Augenhöhe erreicht, die für ein Team so erforderlich ist. Das stellt für mich eine Verfeinerung der Rollen dar. Der Rolle meiner Mitarbeiter und der von mir. Und gleichzeitig ist es wichtig, die Stärken aller zu unterstreichen. Indem ich meine Schwächen benenne, sage ich gleichzeitig, dass ich als Führungskraft meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauche.

Das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun – und davon hängt viel ab. Generell ist die Feedbackkultur in Deutschland eine Katastrophe. Feedbackkultur hierzulande bedeutet, Fehler zu finden und sie als Schwäche zu interpretieren. Andersherum wird ein Schuh draus! Wichtig ist es hier, Fehler als Baustein zum Erfolg zu sehen und lösungsorientiert zu arbeiten. Eine gute Feedbackkultur kriege ich nur hin, wenn im Team psychologische Sicherheit da ist, und die gebe ich, wenn ich mich selbst auch verletzlich zeige. Was ist psychologische Sicherheit? Wenn jedes Teammitglied seine Meinung äußern kann ohne negativ bewertet zu werden. Selbst, wenn eine Idee noch so quer ist, schauen, wie sie realistisch umgesetzt werden kann. Das fördert übrigens auch die Innovation. All das zusammen wird zukünftig eine Stärke von Führungskräften sein.

news aktuell: Ein Aspekt, der in den vergangenen Monaten immer aufgepoppt ist, ist die Kreativität, bzw. die Gefahr, dass diese im Home-Office bzw. bei Teams, die sich nicht persönlich in einer Büroumgebung sehen können, verloren geht. Was raten Sie Führungskräften hier? Wie können sie Kreativität bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dennoch fördern? Welche Prozesse braucht es?

Liebermeister: Ja, da sind die Stimmen unterschiedlich. Es gibt Verfechter, die sagen, alles ginge genauso wie zuvor. Wir haben auch vereinzelt Stimmen, die sagen, es ginge sogar noch viel besser. Aber das Gros der Stimmen sagt, dass Kreativität ohne den direkten Diskurs mit Menschen neben mir aus Fleisch und Blut verloren gehen könnte – oder zumindest schwierig wird.

Ich muss also Wege finden, wie ich mein Team unterstützen kann - auch auf Distanz – kreativ zu bleiben. Helfen kann hier eigentlich nur, erstmal den Kopf frei zu kriegen. Da kann zum Beispiel eine Viertelstunde gemeinsam „Stadt – Land – Fluss“ spielen hilfreich sein, vielleicht auch mal die Walt Disney Methode oder der Lego Serious Play.

Die Walt Disney Methode ist gerade in dem Bereich der Innovation bekannt. Walt Diesney hat sich auf drei unterschiedliche Sessel gesetzt und drei unterschiedliche Perspektiven eingenommen. Im ersten Sessel hat er überlegt, was für ein Film entstünde, wenn er ohne irgendwelche Einschränkungen oder Grenzen einfach loslegen könnte. Das ist ein Punkt, an dem man Geduld haben muss. Da kommt im Zweifel unheimlich viel. Dann setzte sich Disney auf den nächsten Sessel und hat die Rolle seines Finanz-Chefs eingenommen, also die des Realisten. Im dritten Sessel hat Disney am Ende den Feinschliff gemacht. Übrig bleibt also so viel wie möglich aus dem ersten Sessel, zu den Bedingungen des zweiten Sessels und der Qualität des dritten Sessels.

Was digital vielleicht etwas schwieriger ist – aber durchaus möglich – ist der Einsatz von Lego Serious Play. Das ist eine agile Ideenfindungs- und Problemlösungsmethode, die Kreativität und Innovation fördert. Und ja, genau wie Sie sich das jetzt vorstellen, tatsächlich mit Legosteinen. Voraussetzung ist natürlich eine Vertrauensbasis mit dem Team. Alles darf gesagt und gedacht werden, wenn die psychologische Sicherheit im Team da ist. Gut ist, wenn sich daraus eine Art wöchentliche Routine entwickelt. Das steht und fällt natürlich alles mit dem Moderator oder demjenigen, der das Team führt. Und damit, ob es zur Führungskraft, dem Team oder der Moderatorin passt.

news aktuell: Können Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empathisch durch die Krise führen, am Ende einen wirtschaftlichen Vorteil haben?

Liebermeister: Davon bin ich überzeugt. Jede Krise hat ihre Chancen. Eine Krise heißt ja, alles zu hinterfragen. Fragen wie: Sind wir denn noch richtig aufgestellt? Wird unser Geschäft auch in Zukunft noch tragfähig sein? Dafür muss man die Menschen ganz neu denken lassen – und das allein ist ja schon der Beginn eines großen Veränderungsprozesses.

Und da sind wir wieder bei der psychologischen Sicherheit. Das geht nur mit Empathie. Wenn mein Team Angst hat, kann ich keine Veränderungen anstoßen. Die Menschen müssen sich ganz sicher fühlen. Viele Menschen sind ja schon durch die Digitale Transformation verunsichert. Wo führt uns das hin? Wie schaut mein Arbeitsplatz der Zukunft aus? Und jetzt kommt auch noch diese Pandemie hinzu. Und: Menschen ohne Angst bleiben gesund und gesunde Menschen sind nachweislich ein Faktor für den Unternehmenserfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.

Menschen wollen gesehen und gehört werden. Der eine mehr, der andere weniger. Aber dieses Mehr und Weniger muss ich als Führungskraft herausfinden. Die Führungskraft muss Vertrauensmann, Coach und auch Psychologe sein. Menschen brauchen Perspektive, und im Moment sind die einzigen, die das bieten können, die Chefs.

Gleiches gilt für die Chefs selbst: Auch die haben in der Regel Vorgesetzte. Auch die müssen sich sicher und frei genug fühlen, am Ende auch ihre Chefs um Hilfe zu bitten. Jede Führungskraft, jeder Mitarbeiter ist heute Leistungssportler in diesen herausfordernden Zeiten. Mal von der Krise ganz abgesehen. Nur wenn ich es als Führungskraft schaffe, mein Team hinter mir zu versammeln, für eine Aufgabe zu begeistern und mitzunehmen, kann ich auch als Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein. Wie ein Influencer nichts ohne seine Follower ist, ist eine Führungskraft nichts ohne ihr Team.

news aktuell: Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Barbara Liebermeister ist Managementberaterin, Buchautorin und Rednerin. Sie begann ihre berufliche Karriere im Marketing internationaler Konzerne. Ihre Schwerpunktthemen sind Leadership,

(Selbst-)Führung und Beziehungsmanagement im digitalen Zeitalter. Außerdem ist sie Gründerin und Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt am Main. Das Institut erforscht und fördert die Management- und Führungskultur im Zeichen der Digitalisierung und entwickelt Methoden, mit denen die Digital- und Führungsreife der Führungskräfte gesteigert werden können.

In ihrem aktuellen Buch beschäftigt sie sich damit, welche Mechanismen Influencer erfolgreich machen und was Führungskräfte von ihnen lernen können: "Die Führungskraft als Influencer - In Zukunft führt, wer Follower gewinnt".

Interview: Nicola Wohlert

Dieser Beitrag ist ein Original-Post aus dem news aktuell Blog:
https://treibstoff.newsaktuell.de/digital-leadership-was-fuehrungskrafte-jetzt-koennen-muessen/

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