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BLOGPOST Gendern: Sprache ins Bewusstsein rücken

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Viel wird derzeit über gendergerechte Sprache gesprochen. Eine Sprache, die alle Menschen sichtbar macht und keine Person diskriminiert. Genau deshalb beschäftigen sich auch immer mehr Unternehmen und Organisationen mit diesem Thema. Aber was genau meint "Gendern" eigentlich? Gibt es eine Definition von gendergerechter Sprache? Was haben Unternehmen davon, genderbewusst zu kommunizieren und wie sollte man mit internen Vorbehalten umgehen? Darüber sprechen wir mit Tizia Macia, Mitgründerin von „ fairlanguage “.

news aktuell: Das Gendern ist derzeit in aller Munde. Aber was genau meint man damit eigentlich? Wie würden Sie eine gendergerechte Sprache definieren?

Tizia Macia: Ja, wir beobachten auch, dass das Thema aktuell stark ins Bewusstsein rückt - und wir würden sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass sich Unternehmen inzwischen nicht mehr NICHT positionieren können: Entweder man greift die gesellschaftliche Entwicklung auf oder man nimmt eine eher konservative Haltung ein.

Das Wort “Gendern” ist in sich etwas irreführend - weil Deutsch nun mal eine gegenderte Sprache ist: Wir kennen die Differenzierung von einem Physiker und einer Physikerin und verstehen auch das sogenannte "generische Maskulinum“ nicht neutral, sondern männlich.

Eine gendergerechte Sprache zu verwenden bedeutet für uns in erster Linie, eine Haltung und einen Weg zu betreten, der die eigene Sprache aufmerksam ins Bewusstsein rückt. Eine Haltung, die ausdrückt: Ich möchte nicht, dass meine Sprache diskriminiert oder Menschen unsichtbar macht. Als ein Puzzleteil von vielen ist die (gendergerechte) Sprache auch ein Ausdruck, sich gegen Ungleichheit und Benachteiligungen zu positionieren.

news aktuell: Wie hat sich das Bewusstsein für gendergerechte Sprache in den letzten Jahren verändert? Gibt es Untersuchungen zur aktuellen Verbreitung von gendergerechter Sprache in Deutschland?

Tizia Macia: Wir sehen, dass in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit für das Thema stark gestiegen ist, sowohl bei den Befürworter*innen als auch in der Kritik. Dazu hat nicht nur die Gesetzesänderung zum Personenstand “divers” Ende 2018 beigetragen, sondern auch, dass sich immer mehr große Unternehmen klar für Gendersensibilität und geschlechtergerechte Sprache positionieren. Das Thema ist so präsent, dass sich sogar der Duden, der eigentlich nur beobachtet, inzwischen zu dem Thema äußert und den Genderstern aufgreift.

news aktuell: Warum ist aus Ihrer Sicht der Einsatz von gendergerechter Sprache wichtig? Erklären Sie uns gern ein paar Hintergründe zu der Wirkung von Sprache bzw. inwiefern Sprache Denken und Handeln beeinflusst.

Tizia Macia: Unser Denken wird von Sprache stark beeinflusst. Dazu gibt es verschiedene Studien, zum Beispiel, indem man Assoziationen abfragt und die Zeit des Antwortens misst. Wenn man zum Beispiel fragt, ob für den Satz “Die Handwerker gehen gerade über den Hof” der Satz “Die Frauen sind durch den Regen ordentlich durchgenässt” eine sinnvolle Fortführung ist, dann dauert es deutlich länger, bis die Menschen auf “Ja” klicken.

Das hat Auswirkungen auf unsere Kinder, die weniger Inspiration und Vorbilder in der Sprache haben, auf die Menschen, die sich bei uns in den Organisationen bewerben und nicht zuletzt darauf, wie präzise Sprache ist und ob sich potenzielle Kund*innen von unserer Sprache angesprochen fühlen - oder sie eher sagen: Naaah, da kaufe ich lieber bei der Konkurrenz.

Zu guter Letzt: Sensibel zu sein ist inzwischen auch ein starkes Markensymbol und unsensible Sprache hat nicht bei wenigen Unternehmen in den letzten Jahren zu negativer Kritik und Imageschäden geführt.

news aktuell: Sie unterstützen unter anderem Audi bei der Einführung von Gendersprache in der internen und externen Kommunikation. Was sind in der Regel die größten Vorbehalte in Unternehmen, wenn es ums Gendern geht?

Tizia Macia: Die Sorge, sich angreifbar zu machen. Häufig ist es aber so, dass da dahinter steht, dass “sofort alles perfekt” sein muss. Diesen Zahn ziehen wir Unternehmen häufig und die Erleichterung ist meistens spürbar: Denn auch Organisationen befinden sich auf einem Weg und können mit eben so einer Kommunikation darüber den eigenen Perfektionsdruck rausnehmen.

Audi ist da ein sehr gutes Beispiel: Hier hat die Arbeitsgruppe sehr viel Wert darauf gelegt, die Mitarbeitenden mitzunehmen und hat nicht nur über 300 Personen schulen lassen, sondern auch die Kommunikation offen und verständlich gestaltet. Das ist unserer Erfahrung nach die halbe Miete, damit die Veränderung intern gut angenommen wird: Das Warum muss klar sein, die Rahmenplanken klar und Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden.

Nach außen war Audi ziemlich offensiv und stand dadurch kurzzeitig stark im medialen Fokus. Das Fazit war aber ganz klar, dass diese Umstellung insbesondere in der Wahrnehmung als attraktive Arbeitgeberin den größtmöglichen positiven Effekt erzielt hat. Auch die Berichterstattung war mehr positiv als negativ und überwiegend neutral.

news aktuell: Was würden Sie Kommunikationsverantwortlichen aus Unternehmen empfehlen, die sich überlegen, eine gendergerechte Sprache in der Kommunikation einzuführen? Welche Fallstricke gilt es zu vermeiden?

Tizia Macia: Einheitliche Richtlinien und Leitlinien und einen klaren Action Plan, der aus den Bedürfnissen und Ressourcen des jeweiligen Unternehmens entsteht. In unseren Strategieworkshops geben wir genau dem Raum, was unserer Meinung nach so entscheidend ist: Jede Organisation ist anders und sollte deswegen bei der Einführung ganz individuelle Dinge bedenken.

news aktuell: Ein großer Einwand zu gendergerechter Sprache ist, dass sie umständlicher zu rezipieren ist. Welche konkreten Tipps haben Sie, um weiterhin möglichst verständlich und flüssig zu kommunizieren?

Tizia Macia: Ganz klar: mehrere Schriftzeichen hintereinander zu verwenden. Es gibt einen bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten, gerade auch, wenn es an neutrale Umformulierungen geht. Unserer Erfahrung nach kann die Textqualität dann sogar erhöht werden, weil die Kernaussagen eines Satzes stärker herausgearbeitet werden.

news aktuell: Kann man auch einfach mal "anfangen" mit gendern, ohne vorher ein ausgeklügeltes Regelwerk aufzustellen? Oder macht man sich dann angreifbar, weil man inkonsequente Sprache verwendet?

Tizia Macia: Wie gesagt, unsere Haltung ist immer, dass es ein Weg und eine Haltung ist. Logisch, dass man anfangen möchte, wenn man erstmal verstanden hat, warum das so wichtig ist! Wir sehen aber, dass viele Unternehmen aufgrund einer einheitlichen Markenbotschaft schnell den Wunsch entwickeln auch einheitliche Leitlinien für ihre Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen.

news aktuell: Schwierig ist auch die Umsetzung der diversen Gender-Schreibweisen für die gesprochene Sprache. Wie gehen wir damit am besten um?

Tizia Macia: Bei neutralen Formen gibt es gar keine Umgewöhnung - bei den Schriftzeichen spricht man mit einer kurzen Pause, die wir auch schon aus anderen Wörtern kennen: Spiegel|ei, The|ater etc. Das muss man evtentuell etwas üben und anfangs bietet sich auch zur Umstellung der eigenen Gewohnheit eine gendersensible Form “hinterherzuschieben”.

news aktuell: Abschließend ein Blick in die Glaskugel: Wie sprechen wir in fünf Jahren?

Tizia Macia: Oh, dazu können wir aktuell tatsächlich noch keine Prognose abgeben und befinden uns in einer beobachtenden Position. Klar ist aber: Die Veränderung gerade ist so schnell, dass fünf Jahre viel, viel geändert haben werden.

news aktuell: Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Beatrix Ta

Wer das Thema "Gendergerechte Sprache" vertiefen möchte: Am 20. Mai 2021 gibt es in der news aktuell Academy das Webinar "So gelingt gendergerechte, inklusive Kommunikation in Unternehmen".

Dieser Beitrag ist ein Original-Post aus dem news aktuell Blog:

https://treibstoff.newsaktuell.de/gendern-sprache-ins-bewusstsein-ruecken/

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