3sat Kulturzeit: Wertheim-Streit zwischen Berlin und Washington - Baum: "Kein Druck auf USA ausüben" - Zwangsarbeiter-Stiftung nicht zuständig
Mainz (ots)
Im folgenden erhalten Sie die redaktionelle Fassung eines Interviews mit dem Kölner RA und früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum, das im 3sat Magazin "Kulturzeit" am 26.09.2002 ab 19.20 Uhr ausgestrahlt wurde.
In dem Gespräch nimmt der Jurist und frühere FDP-Politiker Stellung zu den heute stattfindenden Einigungsgesprächen zwischen dem Bundesfinanzministerium und amerikanischen Anwälten über die Entschädigungsansprüche von Erben der früheren Berliner Kaufhausdynastie Wertheim. Baum hatte in Verhandlungen um die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" ehemalige Zwangsarbeiter aus Osteuropa vertreten.
Im Entschädigungsstreit um ein Grundstück am Potsdamer Platz in Berlin gibt der Kölner RA und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum der Bundesregierung den Rat, sich mit den in den USA lebenden Erben der früheren Kaufhausdynastie Wertheim zu einigen und nicht weiter zu versuchen, das in den USA laufende Gerichtsverfahren zu verhindern. "Die deutsche Bundesregierung läuft Gefahr, dass dieser Fall zu einem Präzedenzfall wird". Für den Fall, dass dieser Prozess in den USA verloren werde, "ist die Bundesregierung auf der Verliererseite und nicht Karstadt-Quelle" erklärte Baum. Der Rechtsvorgänger von Karstadt-Quelle, das Kaufhaus Hertie hatte die Wertheim-Grundstücke nach dem 2. Weltkrieg für einen niedrigen Preis erworben und sie in den Hertie-Konzern eingegliedert . Der heutige Wert des Grundstücks wird auf 500 Millionen Euro geschätzt. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die Entschädigungsansprüche aus den Mitteln der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" bestritten werden müssen.
In "Kulturzeit" erklärte Baum, er frage sich, was die Bundesregierung antreibe, "sich hier so weit hineinzubringen und einen gewissen Druck auf die amerikanische Regierung auszuüben." Die Entschädigungsansprüche der Wertheim-Erben könnten nicht unter die Zuständigkeit der Stiftung fallen. "Es wäre ja fatal, wenn diese Stiftung, die insgesamt 1 Milliarde Mark hat, jetzt noch 1 Milliarde für Karstadt zahlen müsste." Am besten sei es," wenn sich alle Beteiligten einigen würden, in diesem Fall, der aus dem Rahmen fällt." Wenn die Bundesregierung sich darauf einlasse und sage, "dies ist ein Ausnahmefall, dann ist sie auf der sicheren Seite, wenn sie sagt, dies ist kein Ausnahmefall, dann lockt sie natürlich den Appetit derjenigen, die wir nicht mehr berücksichtigen wollen."
Zur Rolle des ehemaligen US-Unterhändlers Stuart Eizenstat, der in einem neuen Gutachten auf juristischen Konfliktkurs zur Bundesregierung gegangen ist, nachdem er im März das deutsch-amerikanische Abkommen mit unterzeichnet hatte, sagte Baum, Herr Eizenstat sei nicht mehr in der US-Regierung. Man könne darüber streiten, "ob er, der die Verhandlungen geführt hat, auch ein Gutachten dazu machen soll."
Weitere Informationen: Redaktion "Kulturzeit" Tel. 06131 - 70-6554
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