3sat-Zukunftsmagazin "nano" mit dem Schwerpunktthema: Genpatente -
Skandalgeschäft oder Gesundheitssegen?
Zwei Beiträge am Dienstag,
19. November 2002, 18.30 Uhr
Mainz (ots)
Genpatente - Blutkonserven: Tausende Patentanträge auf menschliche Gensequenzen warten in den Patentämtern darauf, bearbeitet zu werden, Hunderte sind bereits erteilt. Doch geht das überhaupt? Ist ein entschlüsseltes Gen ein Stoff wie jeder andere, der von Einzelnen besessen und lizensiert werden kann? "nano" zeigt am Beispiel der Entschlüsselung des Genoms des Hepatitis-C-Virus, wie Genpatentierung die Kosten im Gesundheitswesen explodieren lassen kann. Das Deutsche Rote Kreuz klagt derzeit vor der EU-Kommission gegen horrende Lizenzforderungen einer US-Biotech-Firma.
Spenderblut muss laut Gesetz auf Hepatitis-C-Viren getestet werden. Bisher machen das die Blutspendedienste mit eigens dafür entwickelten Testverfahren. Bald soll ein genetischer Test auf diese Hepatitis-C-Erreger gesetzlich vorgeschrieben werden. Ein Millionengeschäft für die Entwickler dieser Methode. Denn: Die US-amerikanische Firma "Chiron" fordert für ihr Patent auf das Genom dieses Virus vom Deutschen Roten Kreuz für diese Bluttests horrende Lizenzgebühren - eine Verteuerung pro Bluttest um rund das Zehnfache wären die Folge, jährlich etwa 50 Millionen Euro.
Bisher wurden bei dem Hepatitis-C-Test lediglich Antikörper nachgewiesen. Ein Ansteckungsrisiko blieb, denn bei einer Infizierung bilden sich erst nach sechs bis acht Wochen Antikörper im Blut. Mit dem neuen Verfahren ist es nun möglich, direkt auf das Virus zu testen. Die amerikanische Firma kann zurzeit weltweit bei jeder Testung Lizenzgebühren in beliebiger Höhe erheben. Aber, so sagen Kritiker, die einschlägige EU-Richtlinie für Genpatentierung von 1998 definiere gar nicht eindeutig, was patentiert werden kann. Außerdem fehle eine Angabe darüber, wie hoch eine Lizenzgebühr sein darf. Deshalb klagt das Deutsche Rote Kreuz vor der EU-Kommission gegen die Höhe der Lizenzgebühren. Ein Geschäft wohlgemerkt, bei dem es um einen Test geht. Nicht um den Rohstoff selbst, denn der wird gespendet. Von Leuten, die mit ihrem Blut Leben retten wollen und nicht an Geld denken.
Genpatente - Forschung: Am Fraunhofer Institut für Molekularbiologie an der Universität Aachen arbeiten Forscher an der Entwicklung neuer Medikamente und Diagnoseverfahren. Dazu werden unter anderem Antikörper produziert, um deren Wirkung im menschlichen Körper zu analysieren. Antikörper bildet der Organismus als natürliche Reaktion auf Krankheitserreger. Ziel der Forschung ist, mehr über das menschliche Immunsystem zu erfahren. Die Wissenschaftler wollen nachvollziehen, welche Immunantwort der Körper selbst auf Erreger hat, um gezielt Medikamente zu entwickeln. Diese Arbeit basiert nicht zuletzt auf der Entschlüsselung neuer Gene. Für Dr. Ricarda Finnern vom Fraunhofer Institut Aachen ist es sehr wichtig, "dass wir unsere Technologien und Produkte patentieren lassen, denn nur so haben wir eine Chance, Industriepartner zu finden, die viel versprechende, lizenzfreie Produkte mit uns bis zur Marktreife entwickeln. Das können Forschungsinstitute nicht allein leisten."
Interviewgast ist Dr. Ottmar Kloiber, Dezernent bei der Bundesärztekammer, Köln.
Es moderiert Ingolf Baur.
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