Verkehrssicherheit: TÜV-Experten fordern intensive Betreuung von Cannabis-Patienten
Erst einen Joint rauchen und danach ans Steuer? Das war bislang auf jeden Fall strafbar. Seit März 2017 ist Cannabis allerdings als Medikament zugelassen. Für Cannabisblüten und Cannabisextrakt können Ärzte zur Behandlung bestimmter Krankheiten Betäubungsmittelrezepte ausstellen. Die Nachfrage ist groß: Bereits in den ersten 10 Monaten gingen bei den Krankenkassen 13.000 Anträge auf Kostenübernahme ein. Doch was bedeutet das für die Verkehrssicherheit? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Experten des Verbandes der TÜV e.V. (VdTÜV). Das Thema wird auch im Mittelpunkt eines Arbeitskreises auf dem 56. Verkehrsgerichtstag in Goslar vom 24. bis 26. Januar 2018 stehen.
Gerne senden wir Ihnen unsere Pressemitteilung zu und würden uns über eine Veröffentlichung freuen.
+++ Hohe Verantwortung für Patienten und Ärzte
+++ Bei Cannabis-Patienten muss 0,0-Promille-Grenze für Alkohol gelten
+++ Wissenschaftliche Begleitstudien dürfen sich nicht nur auf den therapeutischen Nutzen beschränken
Erst einen Joint rauchen und danach ans Steuer? Das war bislang auf jeden Fall strafbar. Seit März 2017 ist Cannabis allerdings als Medikament zugelassen. Für Cannabisblüten und Cannabisextrakt können Ärzte zur Behandlung bestimmter Krankheiten Betäubungsmittelrezepte ausstellen. Die Nachfrage ist groß: Bereits in den ersten 10 Monaten gingen bei den Krankenkassen 13.000 Anträge auf Kostenübernahme ein. Doch was bedeutet das für die Verkehrssicherheit? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Experten des Verbandes der TÜV e.V. (VdTÜV). Das Thema wird auch im Mittelpunkt eines Arbeitskreises auf dem 56. Verkehrsgerichtstag in Goslar vom 24. bis 26. Januar 2018 stehen.
"Da die Gesetzesänderung noch nicht lange Bestand hat, sind zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr wenige Erfahrungen mit der Frage nach der Fahreignung bei Dauerbehandlung mit Cannabis vorhanden," erläutert Jan Schepmann, Mobilitätsexperte beim VdTÜV. Die Bundesregierung hat in einer Stellungnahme klargestellt, dass Cannabis-Patienten im Straßenverkehr genauso zu behandeln sind, wie andere Patienten, die unter Dauermedikation stehen. "Wer also Cannabis bestimmungsgemäß als Arzneimittel einnimmt, wird dafür nicht sanktioniert," erläutert Schepmann. Allerdings bedeutet dies kein Freibrief: Wenn nämlich die Fahrtüchtigkeit durch Cannabis eingeschränkt ist, bleibt die Drogenfahrt auch weiterhin strafbar. Die Verantwortung für die Verkehrssicherheit liegt dabei beim Patienten selbst, wobei sie von den behandelnden Ärzten über die Gefahren aufgeklärt werden müssen.
"Besonders kritisch ist die Phase am Beginn der Behandlung", erläutert Schepmann. Der Patient muss sich an den Wirkstoff gewöhnen, außerdem kann es bei der Einstellung auch zu falschen Dosierungen kommen. Überhaupt ist die korrekte Dosierung des Wirkstoffs insbesondere bei Blüten, also Naturprodukten, für den Patienten ein Problem. Auch dürfen mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten nicht zu einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit führen. Das gilt vor allem für Alkohol: Da er in Kombination mit Cannabis zu einem hohen Unfallrisiko führt, muss hier eine strikte 0,0-Promille-Grenze gelten. Die behandelnden Ärzte sind hier gefordert, entsprechende Aufklärungsarbeit zu leisten.
Grundsätzlich gilt: Von einer Fahreignung kann bei Cannabis-Patienten nur dann ausgegangen werden, wenn sie die Risiken richtig einschätzen können und sich nur dann hinters Steuer setzen, wenn sie auch fahrtüchtig sind.
"Von Cannabis-Patienten ist ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Verantwortlichkeit im Umgang mit dem Medikament und den Nebenwirkungen gefordert", erläutert Schepmann, "das schließt auch eine genaue Einschätzung der Folgen ihrer Erkrankung für die Fahrsicherheit ein."
Allein durch den Wirkstoff THC, der oft in hoher Dosierung verordnet wird, können Cannabis-Medikamente zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit am Steuer führen. Auch über die Langzeitwirkung einer Dauermedikation mit Cannabis ist wenig bekannt. "Allerdings darf die Wirkung eines Arzneimittels nicht isoliert von der Symptomatik der zugrundeliegenden Krankheit betrachtet werden," warnt Schepmann, "vielmehr ist immer die Interaktion zwischen der Wirkung eines Medikamentes und der Krankheitssymptomatik wesentlich." Der Wirkstoff THC kann entweder vorhandene kognitive Beeinträchtigungen noch verstärken, oder aber auch Symptome lindern - beides kann wesentlichen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben.
Schwierig ist für Cannabis-Patienten, die Fahrtüchtigkeit im Moment des Fahrtantritts und den zeitlichen Verlauf bei längeren Fahrten richtig einzuschätzen. Sind die Auswirkungen des Cannabis-Medikaments in der ersten Stunde nach dem Konsum am stärksten, können die negativen Auswirkungen der Grunderkrankung, die mit der Medikation bekämpft werden sollen, vielleicht beim Nachlassen der Wirkung besonders beeinträchtigend auftreten.
Um die Fahreignung eines Cannabispatienten zu beurteilen, sieht das Fahrerlaubnisrecht Möglichkeiten vor, die über ärztliche Gutachten, eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung bis hin zu verkehrspsychologischen Beobachtungen des Fahrverhaltens reichen. Der VTÜV fordert zudem, dass sich wissenschaftliche Begleitstudien zur Zulassung von Cannabis als Medikament nicht auf die Frage des medizinisch-therapeutischen Nutzens beschränken, sondern auch die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit in Beruf und Verkehr einbeziehen, um hier rechtzeitig Risiken erkennen und ausschließen zu können.
Geraldine Salborn Verband der TÜV e.V. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Friedrichstraße 136 | D-10117 Berlin T.: +49 30 760095-400 presse@vdtuev.de www.vdtuev.de twitter.com/vdtuev_news