Schwan: Leben nicht mehr in Vollkasko-Mentalität
Bonn (ots)
Zu mehr Eigenverantwortung der Menschen in Deutschland hat die Kandidatin von SPD und Bündnis-Grünen für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan, aufgerufen. In einem PHOENIX- Interview (Ausstrahlung heute 17 Uhr) sagte die Hochschulprofessorin: "Sicher ist das immer eine Frage der Mentalität. Es ist immer eine Gefahr, wenn man hohe soziale Sicherung bietet, dass Menschen nicht die Kräfte in sich mobilisieren, die sie mobilisieren könnten, wenn sie mehr für sich verantwortlich wären." Weiter führte Schwan aus: "Man kann und soll mehr Verantwortung fordern. Nur: Verantwortung setzt auch die Fähigkeit, sie zu übernehmen, voraus." Inzwischen sei allerdings die Verunsicherung sehr vorangeschritten. "Wir leben hier nicht mehr in einer Vollkasko-Mentalität, vielleicht in einer Mentalität, das rauszuholen, was wir rausholen können auf allen Ebenen." Trotz fehlender Stimmenmehrheit rechnet sich die Hochschulprofessorin Chancen auf einen Sieg in der Bundesversammlung aus. "Aber wenn ich nicht gewinne, ist das nicht so, dass eine prominente Parteipolitikerin plötzlich aus der Karriere geworfen wird, mein Terrain ist ja eigentlich woanders." Insofern könne es "ein neuer Zug sein, dass zumindest für dieses Amt Personen, die sich woanders bewährt und Erfahrungen gemacht haben, auch in der Politik Erfahrungen machen." Im Falle ihrer Wahl wolle sie erreichen, "dass die Gesellschaft in Deutschland und Europa (...) wieder mehr Vertrauen in demokratische Politik gewinnt, indem sie sich auch aktiver an dieser demokratischen Politik beteiligt und auf diese Weise auch die kapitalistische Marktwirtschaft, für die ich keine Alternative sehe, besser bändigt." Schwan widersprach der Aussage, ihr Sieg bei der Präsidentschaftswahl würde zu einem politischen Erdbeben führen: "Es würde für die kommende Bundestagswahl überhaupt keine Vorentscheidung sein." Wer in zwei Jahren Bundeskanzler werde, hänge völlig davon ab, wie die jetzige und künftige Politik angenommen werde und wie sich die Opposition verhalte. "Ich würde umgekehrt sagen: Die breitere Bevölkerung würde aufhorchen und sagen: Donnerwetter, es kann sich ja was bewegen, es ist nicht alles schon abgesprochen." Wenn sie gewählt würde, würde dies ihres Erachtens einen Sympathieschub zu Gunsten von Rot-Grün geben. "Ich könnte mir aber sogar denken, dass es auch eine Art Sympathie für die CDU/CSU und die FDP geben würde, jedenfalls für die Tatsache, dass da auch soviel Freiheit und Souveränität herrscht, dass man sich zu dieser Sache entscheidet, mit einer Frau neu anzufangen."
PHOENIX zeigt die Sendung "PHOENIX-Gespräch - Gesine Schwan zu Gast bei Alexander Kähler und Alfred Schier" heute um 17 Uhr
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