Lafontaine: SPD hat Kursbestimmung versäumt
"Schröder Vortritt zu lassen, war mein Fehler"
Bonn (ots)
Die SPD hat es nach Auffassung des Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, jahrelang versäumt, innerparteilich ihren Kurs festzulegen. In der PHOENIX-Sendung "Im Dialog" (Ausstrahlung: Freitag 21 Uhr) sagte er: "Es ist schade, dass diese Partei jetzt schon viele Jahre keine Gelegenheit hat, über ihren Kurs zu diskutieren. Das wäre eigentlich spätestens nach der Wahl in NRW notwendig gewesen." Die SPD sei "von Schröder und Müntefering immer wieder überfahren worden. Sie wurde bei wichtigen Entscheidungen eigentlich gar nicht gefragt, insbesondere bei der wichtigen Neuwahlentscheidung." Ein leichtes Aufbegehren nach der Entscheidung sei dann "auf dem Parteitag wieder in allgemeiner Fröhlichkeit untergegangen." Lafontaine kritisierte das Abstimmungsverhalten der Delegierten auf dem SPD-Parteitag in Karlsruhe. Angesichts des "doch beachtlichen Wahlbetrugs, wenn man die Mehrwertsteuer ins Zentrum der Wahlkampagne stellt" seien gerade einmal 15 Gegenstimmen bei Abstimmung zur großen Koalition "ein sehr bedenkliches Zeichen", so der ehemalige SPD-Vorsitzende. "Das wäre in früheren Jahren unvorstellbar gewesen." Rückblickend auf das Jahr 1998 sagte Lafontaine, sein größter Fehler sei es gewesen, "Schröder bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt zu lassen, was ich nicht musste." Seine Stellung in der Partei sei damals so stark gewesen, dass "ein Wort von mir genügt hätte und ich wäre Kanzlerkandidat geworden", so Lafontaine wörtlich. "Ich hatte fast Platzeck-Ergebnisse auf dem Hannoveraner Parteitag." Einen Wendepunkt in der Beziehung machte der ehemalige Finanzminister für den Zeitpunkt aus, als Schröder zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde. Bis dahin habe es eine sehr gute Zusammenarbeit gegeben. "Nach der Ausrufung zum Kanzlerkandidaten hat er sich an keine Absprachen mehr gehalten. Ich habe das ein Jahr lang mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt, weil es mein Ziel war, die Partei möglichst geschlossen in die Wahl zu führen", so Lafontaine. Seinen Rücktritt würde er nach eigener Aussage "heute wieder genauso machen, mit einer einzigen Einschränkung: Ich würde nach meinem Rücktritt eine Pressekonferenz geben und sagen, das und das sind die Gründe." Aus falsch verstandener Solidarität habe er damals zunächst überhaupt nichts dazu gesagt, "um nicht neue Turbulenzen hervorzurufen." Auf die Frage, ob er langfristig eine Koalition mit der SPD plane, sagte Lafontaine: "Das kann man heute nicht sagen und das wäre verfrüht, jetzt in dem Sinne zu planen."
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