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Ostsee-Zeitung: Interview der OSTSEE-ZEITUNG mit Renate Künast (Grüne) "Neue Kohlemeiler sind grandiose Fehlinvestition"

Rostock (ots)

Rostock (OZ) Der Länderrat von Bündnis 90/Die
Grünen berät heute in Berlin unter dem Motto "Der Inhalt macht den 
Unterschied" die Marschroute im Bundestagswahlkampf 2009. Die 
Rostocker OSTSEE-ZEITUNG sprach mit Renate Künast, 
Fraktionsvorsitzende der Partei im Bundestag.
OZ: Welche Inhalte sollen den Unterschied machen?
Künast: Oben auf der Agenda stehen die Umwelt- und Energiepolitik 
sowie die Themen Bildung, soziale Gerechtigkeit und Bürgerrechte. 
Schwerpunkt ist die ökologische Erneuerung. Anders als andere reden 
wir nicht nur darüber, wir meinen es tatsächlich ernst damit. Frau 
Merkel zum Beispiel deklariert Ziele für die Kohlendioxid-Reduzierung
bis 2050 und macht sich aber zugleich in Brüssel stark für die 
deutsche Autoindustrie, die sich gegen EU-Vorgaben wehrt, ab 2012 den
Schadstoffausstoß von Pkw drastisch zu senken. Die Biospritpolitik 
von Herrn Gabriel ist gerade implodiert. Ökologische Politik der 
Grünen will die Strukturen in der Energiebranche aufbrechen, hin zu 
dezentralen Versorgungsformen. Wir halten auch weiter ein Tempolimit 
auf deutschen Autobahnen für unabdingbar, auch wenn das für einige 
unpopulär ist.
OZ: Auf dem Wahlkampfzettel der Grünen steht ein Kohle-Moratorium. 
Keine Kohlekraftwerke, Atom-Ausstieg, wie erklären Sie dem Wähler, wo
der Strom in Zukunft herkommen soll?
Künast: Es wird viel über eine angebliche Versorgungslücke geredet. 
Diese gibt es nicht. Als das Erneuerbare-Energien-Gesetz von Rot-Grün
beschlossen wurde, war es das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien 
bis 2010 in Deutschland auf 12,5<TH>Prozent zu erhöhen. Das war 2006 
bereits erreicht, heute sind wir bei 14<TH>Prozent. Bis 2020 könnten 
es gut 40 Prozent werden. Auch lässt sich mit Erneuerung, Effizienz 
und Einsparung die Energiebilanz deutlich verbessern. Experten sagen,
dass in der Sanierung der vorhandenen Gebäude im Land ein 
Sparpotenzial von 30 Prozent steckt.
OZ: In Mecklenburg-Vorpommern macht eine Volksinitiative gegen das 
geplante Steinkohlekraftwerk in Lubmin mobil. Wie bewerten Sie diese 
Kampagne?
Künast: Es ist die helle Freude. Vor zwei Jahren ist mir in einem 
Gespräch mit dem vorpommerschen Bischof Abromeit ein Licht 
aufgegangen, wie breit doch das Bündnis ist. Es ist ein 
hervorragendes Beispiel für bürgerliches Engagement. Neue 
Kohlekraftwerke sind grandiose Fehlinvestitionen. In den nächsten 30 
bis 40 Jahren blockieren sie Investitionen in umweltverträgliche 
Stromerzeugung und sie zementieren die Monopolstellung der vier 
Energie-Riesen. Sinnvoll wäre es, vorhandene Kohlekraftwerke zu 
modernisieren und so Zeit zu gewinnen. Wer weiß schon heute, auf 
welchem technologischen Stand in zehn bis 15<TH>Jahren Energie 
erzeugt wird.
OZ: Sie und Jürgen Trittin sollen als Spitzenkandidaten in den 
Bundeswahlkampf ziehen. Zwei Ex-Bundesminister unter Rot- Grün und 
der Handschlag mit der CDU in Hamburg, wie passt das zusammen?
Künast: Wir haben derweil in Deutschland real ein 
Fünf-Parteien-System. Da hat sich das Denken in alten Lagerkategorien
auch bei den Wählerinnen und Wählern offenbar überholt. Alle Türen 
sind offen. Wir werden durch alle schauen und sehen, wo sich grüne 
Politik am besten umsetzen lässt.
OZ: Wie groß dürfen die Kröten sein, die die Grünen bereit sind zu 
schlucken?
Künast: In diesem Bild hat das etwas mit in den Hals stopfen zu tun. 
Wir sind aber keine Stopfgänse. Die Grünen werden darauf achten, dass
ihre politischen Marken nicht verschluckt werden. Wo Dinge zu 
vereinbaren sind, die in Richtung Reformen laufen, werden wir 
kompromissfähig sein.
OZ: Welche Marken setzen die Grünen bei Bildung, sozialer 
Gerechtigkeit und Bürgerrechten?
Künast: Alle Kinder sollen gleiche Bildungschancen haben. Darin liegt
im Kern die Gerechtigkeitsfrage. Um das in der Praxis umzusetzen, 
wollen wir einen Teil des Solidaritätsbeitrages zum Bildungs-Soli 
machen. Das wären in den nächsten Jahren rund 23<TH>Milliarden Euro. 
Es ist merkwürdig, bis 2019 werden die Ost-Transfers reduziert, den 
Soli-Beitrag sackt das Finanzministerium weiter ein. Wo bleibt das 
Geld? Wir sind für den Mindestlohn, und kämpfen für das Recht auf 
Privatheit gegenüber den Schäubles dieser Welt und der datenhungrigen
Wirtschaft.
OZ: Die Grünen kriegen im Osten keinen Fuß auf die Erde. Was raten 
Sie den Freunden in Mecklenburg-Vorpommern?
Künast: Im Osten gab es drastische Umbrüche. Da ist es schwierig 
gegen eine Konkurrenz wie die Linken, die populistisch Biotope der 
Unzufriedenen hegt. In Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit mit der 
Volksinitiative grüne Politik praktisch erlebbar. Wir zeigen, dass 
wir was bewegen.

Pressekontakt:

Ostsee-Zeitung
Harald Kroeplin
Telefon: +49 (0381) 365-439
harald.kroeplin@ostsee-zeitung.de

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