Ostsee-Zeitung: Ostsee-Zeitung (Rostock) zu Anschlägen in Norwegen
Rostock (ots)
Unfassbar. Unbegreiflich. Es waren diese zwei Worte, die die Schockstarre unmittelbar nach dem Massenmord in Norwegen umrissen. Polizeibeamte aus Oslo sprachen vom "Täter aus dem Nichts", Boulevardmedien gar vom "blondem Teufel", als ob er der Hölle entstiegen ist. Dabei ist der 32-jährige Anders Behring Breivik ein Mensch aus Fleisch und Blut, der in einem Land lebt, das sich zu den liberalsten und sozialsten der Welt zählt. Und doch kann selbst eine offene Gesellschaft wie die norwegische einen Amokläufer wie Breivik gebären. Das Skandinavien von heute hat wenig gemein mit der "Villa Kunterbunt" von Pippi Langstrumpf. Zwar hat allein das tolerante Norwegen einen Ausländeranteil von elf Prozent. Doch parallel hat sich eine aus diffusen Globalisierungs- und Überfremdungsängsten gespeiste rechte Szene entwickelt, die sich national und mono-kulturell gibt. So repräsentiert die Fortschrittspartei mehr als ein Fünftel aller Norweger und ist damit die stärkste rechtsextremistische Partei in Europa. Auch wenn sie mit Breiviks Amok direkt nichts zu tun hat, so liefern Parteien dieser Coleur einen rigiden Wertekonservatismus, der bewusst mit kreuzzüglerischer Islamophobie und faschistoiden Rassenideen spielt. Wer meint, mit einem Register für "auffällige Personen" einen Amoklauf wie in Norwegen vermeiden zu können, der manifestiert seinen Irrglauben in technische Mittel oder lenkt bewusst von gesellschaftlichen Herausforderungen ab, die im Erstarken des europäischen Rechtsextremismus liegen.
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