Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Merkels Niederlage in Brüssel
Rostock (ots)
Vergeblich versuchte die Kanzlerin mit ihrem politischen Catenaccio die Angriffe der EU-Südländer abzublocken. Eurobonds, Schuldentilgungsfonds und Bankenunion - was alles auf eine deutsche Haftung für gesamteuropäische Schulden hinausläuft - sind zwar noch immer nicht mit "Madame Non" zu machen. Doch das sind nur Begriffe, die Italiener und Spanier flexibel umspielen, wenn es darum geht, die deutschen Geldschleusen weiter zu öffnen. Und in Brüssel haben sie Merkel getunnelt. Entgegen früheren Abmachungen können marode Banken nun direkte Hilfen aus dem dauerhaften Rettungsfonds ESM erhalten. Zudem soll dieser ohne ein strenges Auflagenprogramm Staatsanleihen von Krisenstaaten kaufen können. Notkredite, die der ESM vergibt, sollen im Fall einer Staatspleite künftg nicht bessergestellt sein als die von privaten Gläubigern. Der Steuerzahler, der den 700 Milliarden schweren Fonds füttert, wird sich bedanken! Und was ist mit dem Wachstumspakt, mit dem vor allem die Jugendarbeitslosigkeit in Europa eingedämmt werden soll? Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die Länder, die ihn am nötigsten brauchen, mit seinem Scheitern drohten. Offensichtlich ist Madrid und Rom das Wohl der Banken wichtiger als das der eigenen Jugend - ganz abgesehen davon, dass sein Volumen von 120 Milliarden viel zu klein ist. Allein Deutschland hat in den Jahren 2008/09 rund 80 Milliarden Euro in zwei Konjunkturpakete gesteckt, um die Folgen der Finanzkrise abzufedern. Ohnehin ist es der Fluch der Euro-Gipfelitis, dass die Politiker an Symptomen herumdoktern anstatt die Ursachen anzugehen. Noch immer sind die Macht der Banken und Rating-Agenturen ungebrochen, südeuropäische Volkswirtschaften kaum wettbewerbsfähig und der Euro bleibt ein Eliten-Projekt. Um diese Probleme offensiv anzugehen, muss Merkel allerdings mehr als Catenaccio spielen.
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