Ostsee-Zeitung: Kommentar zum Auftakt des NSU-Prozesses
Rostock (ots)
Zschäpes provokante Posen, ihr offener Blick in den Saal, dem sie zuvor zwanzig Minuten lang demonstrativ mit verschränkten Armen den Rücken gezeigt hatte - das alles wirkte so selbstbewusst, dass es verstörte. Stellt man sich nicht genau so eine Mittäterin vor, die abends Böhnhardt und Mundlos das Essen kocht, nachdem diese einen Menschen ermordet haben? Auf derlei Küchenpsychologie wird es nicht ankommen in der Hauptverhandlung, auf die richtige Prozessführung dagegen schon. Und der Auftakt ist einigermaßen missraten: Der Befangenheitsantrag der Zschäpe-Verteidiger wegen der Leibesvisitationen beim Einlass war so erwartbar wie ein Abschlussplädoyer. Dass er zusammen mit einem zweiten Antrag trotzdem zur Vertagung des Prozesses führte, ist kein gutes Signal für die Öffentlichkeit.
Das könnte darauf schließen lassen, dass die Richter das Verfahren auch jenseits von Journalistenakkreditierungen nicht voll im Griff haben. Der nächste Dienstag wird eine Antwort liefern.
Schließlich geht es hier nicht um taktische Geplänkel und Muskelspiele. Es geht darum herausfinden, wer die Opfer ermordet hat, wem welcher Anteil an den Taten zuzuschreiben ist. Es geht um die Erkenntnisse von Sachverständigen, um Zeugenaussagen und um die Einlassungen der Angeklagten selbst, wenn sie denn reden wollen. Und am Ende wird es darum gehen, welches Strafmaß die Kammer für jeden der fünf Angeklagten für angemessen hält. Knapper, aber dafür pathetischer könnte man sagen, es geht um Schuld und Sühne.
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