All Stories
Follow
Subscribe to Landeszeitung Lüneburg

Landeszeitung Lüneburg

Landeszeitung Lüneburg: Prof. Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaft (Kiel): "Energiesparen ist die effektivste Maßnahme"

Lüneburg (ots)

Die Ankündigung Saudi-Arabiens, die Förderquote
zu erhöhen, konnte die Fahrt des Rohölpreises bisher nicht bremsen. 
Gestern kostete das Barrel Rohöl erstmals 146 US-Dollar. Wie hoch der
Preis noch klettern wird und wie lange das schwarze Gold noch 
ausreichend zur Verfügung steht, ist auch für Experten schwer 
abschätzbar, weil die Förderländer sich nur ungern in die Karten 
schauen lassen, meint Professor Gernot Klepper, Umwelt- und 
Rohstoffexperte am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Er plädiert 
für die Verbesserung der Energie-Effizienz.
Seit Monaten steigt der Ölpreis von einem Rekord zum nächsten. 
Analysten sehen ihn bis zirka 2015 bei 250 bis 300 US-Dollar pro 
Barrel. Ist das realis"tisch?
Prof. Gernot Klepper: Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man 
zu so einer Prognose kommen kann. Zwei -- relativ unberechenbare -- 
Faktoren spielen hier eine Rolle: zum einen die Entwicklung der 
weltweiten Nachfrage nach Öl, zum anderen die Angebotslage bei Gas 
und Öl. Wenn es keine Überraschungen im weltwirtschaftlichen Wachstum
gibt, wird die Nachfrage weiter steigen. Auf der Angebotsseite hängt 
alles von den Investitionen ab. Es wird investiert, doch ob damit das
Angebot auch ausreichend steigt, ist bisher noch offen. Wenn das 
Angebot nicht steigt, und die Weltwirtschaft nicht in eine Rezession 
kommt, kann der Preis nach oben gehen, wenn es zunimmt und wir in 
eine Rezession rutschen, kann der Preis fallen. Und falls die 
Weltgemeinschaft sich auf strikte Klimaziele einigt, wird ebenfalls 
Druck auf die Energiepreise entstehen.
Produzenten und Abnehmer beraten sich auf dem Weltölgipfel in 
Madrid. Bei dem Treffen 2005 wurden Auguren, die 100 Dollar für ein 
Fass Öl prophezeiten, ausgelacht. Wohin geht die Preis-Reise?
Klepper: Langfristig gesehen werden wir immer einen Anstieg der 
Energiepreise haben, weil die fossile Energie knapper wird. Das 
hatten wir schon vor zehn Jahren in unseren Modellen gesehen, doch 
wir waren unsicher, ob das in der Öffentlichkeit zur Kenntnis 
genommen würde. Damals lag der Ölpreis noch bei 20 Dollar, und wir 
hatten einen Anstieg um das Fünf- und Sechsfache vorhergesagt. Dieser
Anstieg wird auch weiter so vorangehen. Die Frage ist nur, ob das so 
schnell geht wie die Analysten das jetzt prophezeien.
Der steigende Ölpreis wirft auch wieder die Frage nach der 
Endlichkeit der Ölreserven auf. Die Energy Watch Group sieht Peak Oil
bereits als überschritten, die Internationale Energieagentur sieht 
2015 als Gipfelpunkt. Ein Schönreden von Ölreserven?
Klepper: Hierzu muss man sich die Geschichte ansehen. Vor über 10 
Jahren wurde die Theorie von Peak Oil in der Öffentlichkeit zur 
Kenntnis genommen. Viele haben das als Unfug abgetan, da es 
marktwirtschaftlich überhaupt nicht erklärbar sei, dass auf einmal 
das Öl ausgehen sollte. Denn bei hoher Nachfrage würde es auch wieder
ein neues Angebot geben. Inzwischen aber sagt sogar die 
Internationale Energie Agentur, dass wir den Produktionsgipfel, also 
Peak Oil, erreichen werden. Es geht jetzt nur noch darum, ob das 
Maximum der Förderung jetzt gerade stattgefunden hat oder erst in 10 
oder 15 Jahren kommt, und wie schnell die Anbieter in den nächsten 
Jahren reagieren werden. Aber alle sind sich einig, dass es nach Peak
Oil darum geht, mit Alternativen Energieträgern zurechtzukommen, weil
schlichtweg keine zusätzlichen Ölvorkommen mehr auf den Markt kommen.
Angebot und Nachfrage regeln die Märkte. Rohstoffpreise halten 
sich offenbar nicht an diese Regel -- warum?
Klepper: Diese Regel gilt auch hier, nur dass das knappe Angebot 
zu immer weiter steigenden Preisen führt. Das Besondere an den 
Rohstoffen ist, dass das Angebot auf Rohstoffmärkten sehr 
unterschiedlich reagiert. Kurzfristig ist es so, dass wir ein sehr 
unflexibles Angebot haben, d.h. man kann die Angebotsmenge nicht 
schnell ausweiten, weil riesige Kapitalinvestitionen dafür nötig 
wären. Insofern treffen ein ganz unelastisches Angebot und eine 
relativ elastische Nachfrage aufeinander. Und das führt dann zu der 
großen Volatilität, also der Schwankung von Preisen. Nur mittel- bis 
langfristig kann man bei manchen Rohstoffen die Angebote ausweiten, 
so dass der Nachfrageanstieg auch von einem zusätzlichen Angebot 
begleitet wird und damit die Preise stabilisiert. Beim Öl kommt zudem
die Endlichkeit der Reserven ins Spiel.
Die aktuelle Teuerungsrate von 4 Prozent könnte die Konjunktur 
belasten. Nach Kriterien der EZB ist Preisstabilität nur bis 
2EURProzent gewährleistet. Ist die Zinserhöhung seitens der 
Europäischen Zentralbank (EZB) das richtige Signal?
Klepper: Das ist ein schwieriges Kapitel. Die Inflationsrate gilt 
als Indikator dafür, wie sich mittelfristig die Preise entwi"ckeln. 
Wenn wir jetzt einen Preissprung haben wie die Verdoppelung der 
Energiepreise und der Agrarrohstoffe, die wahrscheinlich im nächsten 
Jahr nicht noch einmal so stark steigen werden, dann ist das ein 
sogenannter Einmaleffekt. D.h., wir messen zwar jetzt eine hohe 
Inflationsrate, die aber, wenn diese Preissteigerung durch ist, 
automatisch wieder zurückgehen würde. Einen ähnlichen Effekt hatten 
wir bei der Mehrwertsteuererhöhung. Die Frage ist, was an 
mittelfristiger Inflation noch bleibt, wenn man diese Effekte 
herausrechnet. Sicherlich weniger als 4EURProzent, aber vermutlich 
mehr als die angestrebten 2EURProzent. Insofern ist es durchaus zu 
erwägen, die Inflationsbekämpfung in den Vordergrund zu stellen. 
Höhere Zinsen bringen natürlich auch Probleme mit sich. Die 
Konjunktur, die allmählich unter den Energiepreisen zu leiden 
scheint, würde durch hohe Zinsen noch einmal belastet. Außerdem würde
der Dollar noch weiter abgewertet, was wiederum die Exportwirtschaft 
träfe. Da Euro und Dollar auch bei den Ölkontrakten im Wettbewerb 
stehen, könnte noch mehr auf den Dollar spekuliert werden und damit 
die Ölkontrakte in Dollar steigen, weil die Verkäufer von Erdöl und 
Erdgas an Erträgen in Euro interessiert sind, und diese Erträge 
würden bei einer weiteren Abwertung des Dollar und konstanten in 
Dollar fakturierten Ölpreisen sinken.
Die Tatsache, dass die OPEC-Staaten kürzlich zu einem Öl-Gipfel in
Dschidda eingeladen haben, zeigt, dass die Ölpreisjagd auch dort mit 
Sorge registriert wird. Könnte die Sorge um Rezessionen im Westen 
eine Signalwirkung auf die Ölförderstaaten haben, so dass sie die 
Investitionen in Förderanlagen tatsächlich erhöhen, statt nur Gewinne
abzuschöpfen?
Klepper: Über die wirkliche Ursache für dieses Treffen seitens der
OPEC kann man nur spekulieren. Wenn man sich das Ergebnis ansieht, 
die leichte Ausweitung der Produktion lediglich seitens 
Saudi-Arabiens, dann sieht das mehr nach einer PR-Aktion aus. Zumal 
wenn man bedenkt, dass die Produktion in Nigeria gleichzeitig 
wesentlich stärker zurückgegangen ist, als das, was die Saudis nun 
drauflegen. Unterm Strich haben wir also eher weniger Produktion in 
den nächsten Monaten zu erwarten, als mehr. Eine andere ebenso 
denkbare Erklärung wäre, dass keine weiteren Kapazitäten da sind, um 
die Produktion auszuweiten. Schließlich spricht die Erhöhung der 
Exportabgaben für Öl durch Russland auch nicht dafür, dass man sich 
Sorgen um die Weltkonjunktur macht.
Absatzsorgen aufgrund wirtschaftlicher Probleme der Abnehmerländer
spielen also keine Rolle?
Klepper: Ich gehe schon davon aus, dass in neue Ölfelder 
investiert wird. Dass die Ölanbieter sich Sorgen um die Nachfrage 
machen, halte ich für unwahrscheinlich, da die Schwellenländer des 
asiatischen Raums enormen Bedarf haben. Die Förderländer werden erst 
nervös werden, wenn die internationalen Lagerbestände an Rohöl und 
Ölprodukten wieder zunehmen, aber das ist augenblicklich nicht 
erkennbar.
In punkto Ölhunger werden stets die wirtschaftlich aufstrebenden 
Länder wie China und Indien angeführt. Noch aber sind die Amerikaner 
die größten Verbraucher. Wer wird die Verknappung besser verkraften?
Klepper: Neuen Erhebungen zufolge werden die Chinesen sehr bald 
den gleichen Energieverbrauch haben wie die USA. Was man sich ansehen
muss, sind zwei Dinge: Wie hoch ist der Verbrauch pro Kopf? Da ist es
tatsächlich so, dass die Amerikaner rund vier- bis fünfmal mehr 
verbrauchen als die Chinesen. Der zweite Punkt ist die Frage, wie 
sich der Verbrauch im Zeitablauf entwickelt. Und da ist es so, dass 
China heute schon von der zusätzlichen Menge, die auf den Weltmarkt 
kommt, mehr als die Hälfte verbraucht. Dieses rasante Wachstum des 
Verbrauchs wird die Situation in wenigen Jahren verändern, und China 
wird mit weitem Abstand größter Energieverbraucher der Welt sein.
Das führt dann noch schneller zu einer Verknappung, oder?
Klepper: Das würde den Prozess noch beschleunigen, weil auch die 
Wirtschaft Chinas schneller wächst als die der USA und Europas. Auf 
der anderen Seite ist es natürlich so, dass die Energiesparpotenziale
in China auch riesengroß sind. Wenn diese tatsächlich genutzt würden,
würde auch in China der Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum 
entkoppelt werden können. Das ist momentan noch nicht erkennbar, aber
wenn die Preise weiter so hoch bleiben, wird das auch in China zu 
einem sorgsameren Umgang mit Energie führen.
Das Erhöhen von Förderquoten ist eine Reaktion auf 
Marktbedürfnisse, aber nur ein Handeln im Nachhinein. Was aber lässt 
sich vorbeugend tun?
Klepper: Sparen, Energie einsparen. Das ist die wichtigste 
Maßnahme, die man überhaupt treffen kann. Denn was man nicht 
verbraucht, muss man auch nicht bezahlen. Es gibt eine ganze Reihe 
von Untersuchungen, die zeigen, dass ein relativ großer Teil des 
Energieverbrauchs mit geringen oder sogar keinen Kosten eingespart 
werden kann. Dazu bedarf es aber einerseits des Bewusstseins der 
Energieverbraucher und andererseits auch der entsprechenden 
Regulierungen und staatlichen Unterstützung.
Ist denn die Wirtschaft oder mehr die Politik gefordert, eine 
Energiewende einzuläuten?
Klepper: Beide müssen hier eine Rolle spielen. Einerseits muss die
Wirtschaft sich so organisieren, dass sie die Potenziale des 
Energieeinsparens beim Verbraucher auch gut verkaufen kann. Ein 
Hausbesitzer ist heute im Grunde überfordert, wenn er ein 
integriertes Energiekonzept für sein Haus entwickeln soll. Solche 
integrierten Angebote sind im Einfamilienhausbereich noch die 
Ausnahme. Anders im indus"triellen Bereich: Energiema"nagement für 
ganze Gebäude wird bereits extern zur Verfügung gestellt. Die 
Wirtschaft ist also gefordert, diese Potenziale an den Markt zu 
bringen. Natürlich ist auch staatliche Unterstützung nötig. Zum 
Beispiel im Verkehrsbereich -- hier müssen dem Verbraucher 
Alternativen im Mobilitätsbereich angeboten werden, so dass Leute, 
die auf ihr Auto verzichten wollen, dennoch mobil sein können.
Muss Deutschland auch seinen Energie-Mix ändern?
Klepper: Das Einsparen ist die effektivste und einfachste 
Maßnahme. In punkto EnergieMix gibt es gerade für ein Land wie 
Deutschland Grenzen. Für Energie aus Biomasse haben wir nicht genug 
Fläche, um einen signifikanten Beitrag zum Energiehaushalt 
beizutragen. In Sachen Windenergie sind wir bereits gut aufgestellt, 
so dass die Expansionsmöglichkeiten nicht mehr so groß sind. 
Solarenergie wiederum hat zur Warmwasserbereitung noch Kapazitäten, 
scheidet aber für die Stromerzeugung via Solarkraftwerk aus, weil die
Sonnenscheindauer bei uns dafür nicht ausreicht. Insofern sind 
Deutschland natürliche Grenzen gesetzt, um auf erneuerbare Energien 
aus heimischer Erzeugung umzuschwenken. Trotzdem werden sie eine 
wichtige, aber nicht die Hauptrolle spielen. Für die Nutzung 
regenerativer Energie müssen wir über die nationalen Grenzen hinaus 
denken und den Import auch dieser Energieformen ins Auge fassen, wie 
wir das ja bei Öl, Kohle und Gas schon lange tun. Nur bei den 
alternativen Energien wird noch in nationalen Kategorien gedacht.
Das Gespräch führte
Dietlinde Terjung

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

Original content of: Landeszeitung Lüneburg, transmitted by news aktuell

More stories: Landeszeitung Lüneburg
More stories: Landeszeitung Lüneburg