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Landeszeitung Lüneburg: Atomarer Gegenwind für Windenergie - Verbandspräsident Albers kritisiert Laufzeitverlängerung für Meiler

Lüneburg (ots)

Unterhändler von Union und FDP sind sich einig:
Die Laufzeit von Atomkraftwerken soll verlängert werden, Kernenergie 
soll als "Brückentechnologie" dienen. "Eine falsche Weichenstellung 
in die Vergangenheit", rügt Hermann Albers, Präsident des 
Bundesverbandes Windenergie: "Monopole werden zementiert, Jobs und 
ein Exportschlager gefährdet.
"Sichere Atomkraftwerke" sollen über 2022 hinaus unbefristet am 
Netz bleiben. Welche Folgen hat dies für die regenerativen Energien?
Hermann Albers: Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken 
gefährden den Ausbau der regenerativen Energien. Wir konnten nach dem
Atomkonsens davon ausgehen, dass die Kernenergie bis etwa 2023 am 
Netz sein würde -- allerdings mit abnehmender Leistung. Diese wollen 
wir mit erneuerbaren Energien ersetzen. Die Erneuerbaren 
Energien-Branche kann bis 2020 etwa jede zweite Kilowattstunde Strom 
bereitstellen -- wenn man uns lässt.
Die "Zusatzgewinne" der Energiekonzerne wollen die Koalitionäre 
abschöpfen, um damit regenerative Energien zu fördern. Ist dies ein 
adäquater Ersatz für Ihr Vorhaben?
Albers: Ganz sicher nicht. Denn längere Laufzeiten von 
Kernkraftwerken zementieren die bestehenden Monopole der 
Energiewirtschaft. Das kann überhaupt nicht im Interesse der FDP 
sein, die seit Jahren mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt fordert. 
Laufzeitverlängerungen konterkarieren dieses Ziel. Die vier 
Energieriesen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall teilen sich aktuell 87 
Prozent des Strommarktes auf. Eine Laufzeitverlängerung festigt 
diesen Status Quo und verhindert eine Liberalisierung des 
Strommarktes.
Offshore-Windparks erfordern hohe Investitionen. Gibt es für 
Konzerne, die abgeschriebene Atommeiler melken können, noch einen 
Anreiz, neue Wege zu gehen?
Albers: Kaum. Die Branche der Erneuerbaren warnt seit Jahren 
davor, dass eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke den Anreiz 
für die großen Vier sinken lässt, in Offshore zu investieren. 
Schließlich ist die Versorgung der Strommärkte durch abgeschriebene 
Atommeiler deutlich gewinnträchtiger als die Investition in 
technologisches Neuland wie die Windenergie auf hoher See. Es ist zu 
befürchten, dass die Stromkonzerne zwar die Claims für die 
Offshore-Projekte sichern, die Umsetzung der Projekte aber nicht 
vorantreiben. Schließlich würde der Offshore-Strom den Strom aus 
eigener Kohle und Atom verdrängen. Der zwingend notwendige Umbau des 
deutschen Kraftwerksparks hin zu einer dezentralen, erneuerbaren und 
damit vor allem klimaschützenden Energieerzeugung wird auf diesem 
Wege aufgehalten.
30000 Jobs sollten in Norddeutschland durch die Windparks vor der 
Küste entstehen. Ein Ziel, von dem man sich verabschieden muss?
Albers: Warten wir zunächst mal ab, wie die 
Koalitionsvereinbarungen im Detail aussehen. Richtig ist aber, dass 
ein Ausbau der Windkraftanlagen sowohl auf See als auch an Land 
großes Jobpotenzial hat. Bei den erneuerbaren Energien insgesamt 
könnte -- ihren weiteren Ausbau vorausgesetzt -- die Zahl der 
Arbeitsplätze von jetzt 280000 auf 500000 im Jahr 2020 steigen. 
Dieses Ziel wackelt, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien 
verlangsamt wird. Darüber hinaus gefährdet ein Abbremsen des Ausbaus 
der Erneuerbaren Energien den deutschen Exportschlager Windenergie: 
Über 80 Prozent aller produzierten Anlagen aus deutscher Produktion 
werden ins Ausland verkauft. Die deutsche Volkswirtschaft profitiert 
erheblich von diesem Erfolg.
Vattenfall droht trotz des Einstiegs in den Ausstieg der 
Totalausfall: Sowohl Brunsbüttel als auch Krümmel gelten als 
Abschalt-Kandidaten. Ein Anreiz, in Windkraft zu investieren?
Albers: Alle Energieversorgungsunternehmen haben die Erneuerbaren 
auf der Agenda. Es bleibt abzuwarten, ob den Ankündigungen auch 
wirklich Taten zum Ausbau von Wind, Sonne & Co. in Deutschland 
folgen. Deshalb kann ich der künftigen Bundesregierung nur raten, 
sich beim Ausbau der Erneuerbaren Energien weiterhin auf die 
"Tempomacher" der letzten Jahre zu verlassen. Das ist der deutsche 
Mittelstand. Auf dessen Engagement für den Ausbau Erneuerbarer 
Energien ist Verlass, um das deutsche Klimaschutzziel -- Reduktion 
der deutschen CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 --- zu erreichen.
War der Ausbau der norddeutschen Küstenhäfen in der Erwartung des 
Offshore-Booms vergebens?
Albers:
Das ist zu befürchten, wenn das Ausbautempo bei der Windkraft 
gedrosselt wird. Wir hinken ohnehin den Wettbewerbern in 
Großbritannien, Schweden oder Dänemark um acht Jahre hinterher. Die 
Politik hat aber erkannt, dass die Windkraft die größten Chancen 
bietet, kostengünstig CO2-freien Strom zu produzieren. Seit Anfang 
des Jahres hat der Gesetzgeber mit der Novelle des 
Erneuerbare-Energien-Gesetzes einen verlässlichen wirtschaftlichen 
Rahmen für die Offshore-Windenergie gesetzt. Wer das wenige Monate 
später in Frage stellt, bricht das Vertrauen in die Kontinuität 
deutscher Politik. Das wäre sicher kein Ruhmesblatt im globalen 
Wettbewerb um die besten Klimaschutztechnologien.
Alte Atommeiler, neue Kohlekraftwerke und Offshore-Windparks 
würden für Überkapazitäten sorgen und den Strompreis drücken. Stirbt 
die Windkraft auf dem Altar des Profits?
Albers: Die wirtschaftliche Rendite bestimmt natürlich das 
Tagesgeschäft der großen Energieversorger. Wer alle Energiearten 
anbietet, stellt sich dann die Frage, welche die profitabelste ist. 
So fallen zukunftsträchtige, aber momentan bei der Stromerzeugung 
teurere Energieträger durchs Raster. Der Betrieb von Kohlekraftwerken
scheint profitabler, wenn die CO2-Emissionen nicht berücksichtigt 
werden. Und der Betrieb von Atommeilern scheint profitabler, wenn 
Entsorgung und Versicherung in der Rechnung außen vor bleiben. Das 
ist zu kurz gedacht. Deutschland braucht eine wirkliche Energiewende 
hin zu einem dezentralen und erneuerbaren Kraftwerkspark. Dabei 
spielt die immer wieder genannte Grundlast in der Zukunft eine immer 
unwichtigere Rolle. Wir brauchen im Jahre 2020 nur noch etwa halb so 
viel Grundlastkraftwerke wie heute. Stattdessen brauchen wir neben 
einer intelligenten Vernetzung aller Erneuerbaren neue 
Speichertechnologien und flexible Kraftwerke, die auf das variierende
Stromangebot der Erneuerbaren reagieren können. Kern- und 
Kohlekraftwerke können diese Anforderungen nicht erfüllen. Sie sind 
Dinosaurier im erneuerbaren Kraftwerkspark der Zukunft. Sie 
verstopfen die Netze und sorgen dafür, dass bestehende Monopole 
gestärkt, erneuerbare Energien und Klimaschutz hingegen geschwächt 
werden.
Welche Chancen hat unter diesen Bedingungen der Ausbau der Netze, 
an dem es hapert?
Albers: Ganz sicher müssen die Netze massiv aus- und umgebaut 
werden. Notwendig ist eine leistungsfähige Infrastruktur für eine 
dezentrale, erneuerbare und damit klimaschützende Energieerzeugung.
Gibt es strategische Konflikte innerhalb der Konzerne?
Albers: Ganz bestimmt sogar. Die für die deutsche Energiepolitik 
entscheidende Frage ist. Wer setzt sich in der künftigen Ausrichtung 
der Energieversorger durch? Die etablierte Mehrheit der fossilen und 
nuklearen Dinosaurier oder aber die wachsende Anhängerschaft der 
Erneuerbaren? Davon unbeeindruckt investiert der deutsche Mittelstand
weiter in die Erneuerbaren Energien, um das Ausbautempo hochzuhalten.
Es wird uns auch ohne die heutigen Monopolisten gelingen, bis 2020 
jede zweite Kilowattstunde aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse 
bereit zu stellen, wenn Politik und Energiewirtschaft uns lassen.
Die Subventionen für Solaranlagen auf Äckern sollen sofort fallen.
Verabschiedet sich Deutschland von seinen Klimaschutzzielen?
Albers: Auch hier bleibt der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag im 
Detail abzuwarten. Fakt ist: Die deutsche Solarenergiewirtschaft hat 
bisher eine beachtliche Leistung hingelegt. Deren Startschuss fiel 
erst 2000, dennoch haben wir schon erhebliche Preisrückgänge in 
diesem Bereich zu verzeichnen. Die Branche selbst kündigt an, dass 
Solarstrom bereits in fünf Jahren zu dem Preis angeboten werden kann,
zu dem die Energieriesen jetzt liefern. Das würde den Durchbruch für 
diese Industrie bedeuten. Notwendig für diesen jungen Industriezweig 
sind Investitionssicherheit und ein deutscher Heimatmarkt. 
Überstürzte Kürzungen der EEG-Förderung bremsen die bisher positive 
Entwicklung ab. Wir brauchen alle Erneuerbaren Energien im Konzert, 
um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen.

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

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