Neue Westfälische: KOMMENTAR Wirtschaftskrise Unterschiede überwiegen HANNES KOCH, BERLIN
Bielefeld (ots)
Historische Fotos von langen Schlangen grauer Arbeitsloser mit verzweifelten Gesichtern machen sich derzeit gut. Die Erinnerung an 1929, an Massenarbeitslosigkeit und Straßenschlachten erhöhen den Nervenkitzel und erzeugen Aufmerksamkeit. Aber sie erwecken ein völlig falsches Bild der gegenwärtigen Krise. 2009 ist nicht vergleichbar mit 1929. Die Unterschiede überwiegen. In den meisten Ländern Europas und teilweise selbst in den USA sind die Netze der sozialen Sicherung viel stabiler als vor 80 Jahren. Wer heute arbeitslos wird, büßt Lebensqualität und Zukunftschancen ein, er fällt aber meist nicht ins Bodenlose. Bilder wie das des Mannes zu Beginn der 1930er Jahre, der "jede Arbeit" annehmen will, bleiben die Ausnahme. Außerdem praktizieren die großen Industriestaaten Solidarität gegen die Krise. Sie versuchen nicht, sich gegenseitig das Wasser abzugraben, sondern unternehmen eine ähnliche und vermutlich auch wirksame Wirtschaftspolitik. Es ist völlig richtig, weltweit gigantische Summen zu investieren, um den Absturz zu bremsen. Die öffentliche Verschuldung, die die kommenden Generationen belastet, ist nicht schön, aber besser als eine große Depression ist sie allemal. Und schließlich - das ist wahrscheinlich die beste Nachricht - weiß die Welt, wohin sie will. Niemand organisiert Aufrüstung und Krieg. Die gemeinsamen großen Ziele sind klar benannt: Schutz des Klimas, umfreundliche Energieversorgung und Reduzierung der Armut. Dafür werden in den kommenden Jahren Hunderte Milliarden Euro investiert - so oder so. Streit gibt es nur im Detail, vielleicht dauert alles auch etwas länger. Doch diese Investitionen schaffen Millionen Arbeitsplätze - komme, was da wolle. Deshalb ist 2009 nicht wie 1929. Sondern eher wie 1989. Es existiert die Vision einer erstrebenswerten Zukunft. Wir werden es schaffen.
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