Neue Westfälische: KOMMENTAR EU-Streit in der Union Bayerische Daumenschrauben ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Dass sich die CSU immer am besten fühlt, wenn sie der großen Schwester CDU eines auswischen kann, war schon zu Lebzeiten von Franz Josef Strauß so. Doch dass Parteichef Horst Seehofer in seiner Abgrenzungswut gegenüber Angela Merkel so weit gehen würde, programmatisches Tafelsilber der Union zu verhökern, ist schon bemerkenswert. Bisher hat die CDU keinerlei Gelegenheit ausgelassen, die europäische Integration als ihre Herzenssache zu bezeichnen. Es gibt dafür auch beeindruckende Beispiele. Heutzutage weiß zum Beispiel jedes Kind, dass es ohne Altkanzler Helmut Kohl den Euro nie gegeben hätte. In dieser Frage hat sich Kohl übrigens von seinen Überzeugungen leiten lassen und nicht von Umfragen. Für die auf Populismus gebürstete Seehofer-CSU wäre solch ein Verhalten aber nicht einmal im Alptraum denkbar. Deshalb hat die EU-Politik in München ganz schlechte Karten. Denn die ist schwerer zu erklären als etwa die Forderung "Steuern runter". Und dass weder die Klimaerwärmung noch die globale Finanzkrise alleine von München aus gelenkt und gestoppt werden kann, ist eine Erkenntnis, die Seehofer den Bayern lieber ersparen möchte. Deshalb kommt der CSU das Karlsruher Urteil zum Lissabon-Vertrag gerade recht. Nun sollen nach bayerischem Willen Bundestag und Bundesrat alle Brüsseler Entscheidungen im Vorfeld blockieren können. Dann können sämtliche deutschen Europapolitiker einpacken, weil sie in Brüssel nicht mehr dazu kommen werden, überhaupt etwas zu entscheiden. Das Haarsträubende ist, dass die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel offenbar kein Mittel in der Hand hat, um Seehofer zu stoppen. Sie ist auf ein starkes bayerisches Stimmenergebnis bei der Bundestagswahl dringend angewiesen. Für Horst Seehofer ist diese Abhängigkeit eine Einladung, die Daumenschrauben weiter anzuziehen.
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