Neue Westfälische: KOMMENTAR Carstensen stellt die Vertrauensfrage Hilflos ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Fingierte Vertrauensfragen dienen dazu, eine Wahlperiode zu verkürzen. Wie man es macht, hat zum Beispiel Kanzler Gerhard Schröder 2005 demonstriert. Das Ergebnis dieser Aktion führte aus Sicht des sozialdemokratischen Kanzlers aber nicht zu dem erwünschten Erfolg. Bei den erzwungenen Neuwahlen wurde er als Regierungschef abgewählt. Peter Harry Carstensen wird nun am Donnerstag das gleiche Stück in Kiel aufführen. Auch hier ist das Ergebnis offener, als es sich der CDU-Ministerpräsident eingesteht. Denn bei Neuwahlen in Schleswig-Holstein könnte "Die Linke" erstmals die Fünfprozenthürde schaffen. Ob es dann noch für Schwarz-Gelb reicht, ist zumindest fraglich. Auf jeden Fall ist das Mittel der getürkten Vertrauensfrage ein Ausdruck großer Hilflosigkeit. Die Politik gesteht ein, dass sie mit dem Rücken zur Wand steht. Ginge es nach der SPD, müsste der Ministerpräsident sofort seinen Hut nehmen. Dass Carstensen sich in der Affäre um die skandalösen Bonuszahlungen an den Chef der HSH Nordbank falsch und unklug verhalten hat, ist sicher richtig. Als große Führungskraft wird der gesellige Landwirt nicht mehr in die Annalen Schleswig-Holsteins eingehen. Doch der Angriff der SPD verdeckt, dass der eigene Frontmann Ralf Stegner an der Regierungsmisere mitgewirkt hat. Der linke Sozialdemokrat ist mehr als einmal der Versuchung erlegen, gegen gemeinsam gefasste Beschlüsse in der Großen Koalition Front zu machen. Dass Stegner hin und wieder die Oppositionsrolle dem harten Regierungsgeschäft vorgezogen hat, katapultierte das Bündnis in Kiel häufiger an den Rand des Scheiterns. Insofern handelt es sich bei der Schlammschlacht im hohen Norden um das Duell zweier Politiker, die beide ihre Aufgaben nur unzureichend erfüllt haben. Die voraussichtliche Neuwahl ist deshalb auch kein echter Befreiungsschlag.
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