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Neue Westfälische: Kurzarbeit, Altersteilzeit - Beschäftigungspolitik in der Krise Die große Versuchung ULRICH WALWEI

Bielefeld (ots)

Kurzarbeit, Altersteilzeit -
Beschäftigungspolitik in der Krise
Die große Versuchung
ULRICH WALWEI
Ein Schrumpfen des realen Bruttoinlandsprodukts um etwa sechs 
Prozent hat es in der 60-jährigen Geschichte der Bundesrepublik noch 
nie gegeben. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich der deutsche 
Arbeitsmarkt gut neun Monate nach Ausbruch der Krise immer noch 
erstaunlich robust zeigt.
Warum halten die Unternehmen noch immer an vielen Arbeitskräften 
fest? Sie treffen eine sehr bewusste Entscheidung. Gut eingearbeitete
Stammbelegschaften mit einer Fülle wertvoller Betriebskenntnisse sind
für viele Unternehmen das wichtigste Kapital. Oft haben sie noch die 
Schwierigkeiten bei der Rekrutierung zum Ende des letzten Aufschwungs
vor Augen.
Die Entscheidung, eine Unterauslastung der Kapazitäten in Kauf und 
Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen, ist aber keineswegs kostenlos. 
Halten Unternehmen in der Krise an ihren Arbeitskräften fest, steigen
die Lohnkosten je produzierter Einheit. Auch die Kurzarbeit kostet 
extra, weil die Betriebe selbst bei Arbeitsausfall verschiedene 
Lohnbestandteile tragen müssen.
Das alles macht Sinn, solange die erwarteten Kosten einer erneuten 
Stellenbesetzung bei einer verbesserten Auftragslage höher ausfallen 
als die Kosten bei nicht ausgelastetem Personal. Diese Rechnung wird 
aber wohl nicht mehr lange aufgehen. Ohne klare Signale für einen 
kräftigen Neuaufschwung wird der Wirtschaftlichkeits- und 
Wettbewerbsdruck auf die Unternehmen so stark, dass Entlassungen 
unvermeidbar sein werden.
Leider gibt es in der Krise kein Patentrezept. Die 
Arbeitsmarktpolitik kann die Probleme nicht alleine lösen. Sie wird 
letztlich daran zu messen sein, inwieweit es ihr gelingt, Richtiges 
fortzuführen und Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden. Die 
Arbeitsmarktreformen haben den Aufschwung am Arbeitsmarkt mitgetragen
und werden auch den nächsten Aufschwung beschäftigungsfreundlicher 
gestalten. Wichtig ist, Kurs zu halten.
Die Versuchung ist groß, zu populären, aber fragwürdigen Maßnahmen zu
greifen. So kann die Verlängerung der Bezugsdauer des 
Arbeitslosengelds zur erneuten Verfestigung der Arbeitslosigkeit 
beitragen. Auch die Wiedereinführung der Vorruhestandsmaßnahmen wäre 
das falsche Signal in einer Situation, in der es unabdingbar ist, 
eine alternde Gesellschaft auf eine längere Lebensarbeitszeit 
vorzubereiten. Und eine massive und undifferenzierte Ausweitung 
öffentlicher Beschäftigungsprogramme kann die Erholung des ersten 
Arbeitsmarktes gefährden.
Nicht aus dem Blick verlieren darf man den harten Kern der weniger 
gut qualifizierten und damit weniger konkurrenzfähigen Arbeitslosen. 
Gerade in der Krise ist es für diesen Personenkreis besonders schwer,
Arbeit zu finden. Vor allem bei den Beschäftigung schaffenden 
Maßnahmen am zweiten Arbeitsmarkt ist es jetzt wichtig, Personen mit 
dem größten Problemdruck den Vorrang zu geben.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

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