Neue Westfälische: Wahlkampf Es geht auch anders CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Auf der internationalen Bühne geht es voran - der Wahlkampf in Deutschland beschäftigte sich dagegen mit Nebensächlichkeiten. In New York und Pittsburgh haben sich die verantwortlichen Regierungen mit wirklich existenziellen Fragen beschäftigt - beim Wahlkampf in Deutschland stritten die Parteien um Kleinigkeiten wie Videofilmchen. Das zeigt die Ärmlichkeit der gegenwärtigen politischen Kultur in Deutschland. Beim G-20-Gipfel in Pittsburgh haben sich die Mächtigen der Welt nicht nur mit den derzeit wichtigsten Themen beschäftigt, sie haben in Teilbereichen auch Beschlüsse gefasst. Gehälter und Boni von Bank-Managern sollen sich nach wirtschaftlichem Erfolg oder Misserfolg richten, die Eigenkapitalquote von Geldhäusern soll steigen, damit sich die Banken im Falle einer Schieflage selber helfen können und nicht auf den Steuerzahler angewiesen sind. Gut so, Deutschland und Teile Europas haben sich durchgesetzt, weil die US-Regierung unter Barack Obama vernünftigen Argumenten zugänglich war. Auch andere wichtige Themen haben die Regierungschefs zumindest wieder angestoßen: die stockenden Verhandlungen über den Welthandel sollen wieder aufgenommen und die G-20-Treffen zu einer Art Weltwirtschaftsregierung ausgebaut werden. Beim bedeutsamsten Thema zeichneten sich jedoch auch in Pittsburgh keine Fortschritte ab. Die Klimakonferenz in Kopenhagen in wenigen Wochen droht zu scheitern. Eine Katastrophe, die mit Worten kaum zu beschreiben ist. Aber immerhin haben sich die internationalen Gremien in diesen Tagen mit der großen Überlebensfrage beschäftigt. Im Unterschied zum deutschen Wahlkampf. Der war deshalb so langweilig, weil diese Fragen nur am Rande diskutiert wurden. Die Generalsekretäre der Parteien haben sich bei Fernsehdiskussionen gegenseitig eher das Wort abgeschnitten als miteinander diskutiert. Und anschließend meinten alle, sie hätten die Diskussion gewonnen. So sind die Wählerinnen und Wähler nicht zu überzeugen. Beim Kanzlerduell zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier waren immerhin Argumente zu hören, nicht Geschrei. So schlecht wie das TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten anschließend gemacht worden ist, war es gar nicht. Doch auch hier ging es nicht darum, wie der Klimawandel verlangsamt werden kann, ohne auf Wirtschaftswachstum zu verzichten. Milliarden sind da nötig, die allerdings auch massiv Arbeitsplätze bringen. Es ging im Wahlkampf nicht um den Abbau der riesigen Staatsschulden, nicht um die wieder steigende Arbeitslosigkeit und nicht um die erneut drohenden Löcher in den Sozialkassen und nur ganz am Rande um die Zukunftschancen dieses Landes durch Investitionen im Bildungsbereich. Punkte, nach denen die Wählerinnen und Wähler ihre Entscheidung hätten ausrichten können. Stattdessen wurde die Frage diskutiert, wer nach der Wahl mit wem, warum regiert. Ein Armutszeugnis.
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