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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Neue Westfälische, Bielefeld: KOMMENTAR Die Koalition sucht einen neuen Anfang Merkel beginnt zu regieren THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

Es ist etwas geschehen in dieser Woche. Noch ist
die Wahrnehmung darüber unscharf. Aber man erkennt am Horizont 
Umrisse, mit denen Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Koalition aus 
der Krise nach dem Fehlstart von Schwarz-Gelb führen will.
Es fängt mit dem Begriff Schwarz-Gelb an. Den soll es nicht mehr 
geben. Das ist schon mal ein Ergebnis des Sechs-Augen-Gesprächs 
zwischen Merkel und den Chefs von CSU und FDP, Horst Seehofer und 
Guido Westerwelle: Man hat sich darauf verständigt, öffentlich nur 
noch von der christlich-liberalen Koalition zu sprechen.
Wir werden weitere solche neuen Orientierungen an neuen 
Hochwertwörtern von Schwarz-Gelb erkennen. Es wird nicht mehr lange 
dauern und die Regierung wird über eine Dekade der Erneuerung 
philosophieren. Das ist weniger schwulstig als die geistig-politische
Wende, von der Westerwelle bislang zu sprechen pflegte.
Und - nicht unwichtig - der Streit zwischen den Koalitionären wird 
verstummen. Es ist ein vorläufiges Schweigegelübde vereinbart.
All das wurde höchste Zeit. Es begannen die ersten Kritiken an 
Schwarz-Gelb zu grundsätzlichen Zweifeln zu wachsen. Auch an der 
Bundeskanzlerin selbst. Merkel geriet zusehends ins Fadenkreuz der 
Kritik. Der Hauptvorwurf: Die Regierungschefin führt nicht. Das ist 
nun vorbei. Erst einmal. Merkel führt die Koalition, und niemand um 
sie herum ist stark genug, ihr ins Handwerk zu pfuschen. Weder 
Westerwelle noch Seehofer noch die CDU-Ministerpräsidenten, die 
gelegentlich laut tönen, aber die Hacken zusammenschlagen, wenn ihre 
Chefin den Raum betritt.
So weit, so gut! Wohin aber führt die Kanzlerin? Was ist das für eine
Erneuerung, die sie in den nächsten zehn Jahren erreichen will? Was 
macht schwarz-gelb zu christlich-liberal?
Haushaltskonsolidierung, also Sparen? Das wäre nicht das schlechteste
Ziel für eine wertkonservative Kanzlerin. Oder Steuerentlastung? Auch
kein schlechtes Ziel, wenn es nicht über Schulden und nicht für die 
Begünstigung von Randgruppen-Steuerzahlern wie Hoteliers angesteuert 
wird. Aber das alles ist noch kein Projekt. Ein Projekt wäre die 
Erneuerung dieses Landes in sozialer Verantwortung; eine 
Modernisierung der Wirtschaftspolitik, die wieder auf qualitatives 
statt quantitatives Wachstum setzte; eine Familienpolitik, die die 
Keimzelle des Staatswesens neu definiert und respektiert; eine 
Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Ausgrenzung beendet und die 
Chance auf ein sinnvolles und lebenswertes Leben eröffnet; eine 
Umweltpolitik, die nicht auf Atomrisiko, sondern auf kreative 
Intelligenz setzt.
Das alles und noch viel mehr könnte zu einem Projekt reifen. Ein 
Projekt, das vielleicht das Unterste nach oben schwemmt - und 
umgekehrt. Ein Projekt, das Opfer, Verzicht, aber auch Zukunft 
bedeuten könnte.
Die Kanzlerin will eine Dekade der Erneuerung. Sie beginnt zu 
regieren. Man wüsste nur gern, was das für jeden Einzelnen von uns 
bedeutet. Vor der Wahl in NRW.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

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