Neue Westfälische (Bielefeld): Folgen der Bundespräsidenten-Wahl Weckruf ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Christian Wulff ist zum Bundespräsidenten gewählt worden und er wird seine Sache zweifellos gut machen. Doch die Umstände dieser Wahl haben Bundeskanzlerin Angela Merkels Schwäche erbarmungslos aufgedeckt: Nichts, aber auch gar nichts, scheint der Regierungschefin auf Anhieb gelingen zu wollen. Selbst eine große rechnerische Mehrheit von Schwarz-Gelb mündet nicht mehr zwangsläufig in den erwartbaren Erfolg. Doch der Schock vom Mittwoch könnte auch positiv als finaler Weckruf begriffen werden. Nein, es soll jetzt nicht von einem vollmundig angekündigten Neustart die Rede sein. Die Regierung ist erst neun Monte im Amt und hat schon mehrmals vergeblich den Neubeginn versprochen. Merkel muss einfach regieren - möglichst vernünftig und nachvollziehbar. Dazu gehört, den Menschen die ungeschminkte Wahrheit zuzumuten. So war das Versprechen "mehr Netto vom Brutto" schon vor neun Monaten purer Unfug. Dass etwa ein Elf-Milliarden-Loch der Krankenkassen im Jahr 2011 nicht nur mit Einsparungen zu stopfen ist, verstehen die meisten. Neue Belastungen sollten offen kommuniziert werden. Ehrlich zu sein, ist erste Regierungspflicht. Die zweite besteht in dem Mut, Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn die kleinen Koalitionspartner ausscheren und wieder einmal den starken Max markieren wollen. Angela Merkel muss führen und Entscheidungen durchsetzen. Auf den Feldern, wo bisher vertagt und gestritten wurde: Gesundheit, Wehrpflicht, Energiekonzept. Nicht zu vergessen ein Sparpaket, das tatsächlich einen fairen Lastenausgleich beinhaltet. Merkel hat es selbst in der Hand, ob ihrer Regierung ein langes, unerfreuliches Siechtum bevorsteht oder ob es aufwärts geht. Letzteres ist aber nur möglich, wenn die Kanzlerin sich ändert.
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