Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: CDU stützt Merkel Die Kanzler(in)-Partei THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Die CDU ist und bleibt eine Kanzlerpartei, pardon: eine Kanzlerinpartei. Es gehört seit Jahrzehnten zu ihrer Identität, dass sie ihre wichtigsten Führungsleute nicht unnötig beschädigt. Darauf konnte sich auch Angela Merkel - bei allem internen Gemurre über das Erscheinungsbild der von ihr geführten Bundesregierung - gestern bei ihrer Wiederwahl zur Parteivorsitzenden verlassen. Merkel ist die wichtigste Führungsfigur der Union. Das ist unzweifelhaft. Das gilt auch dann, wenn man konzedieren muss, dass die Delegierten des Parteitags ihrer Vorsitzenden einige Merkzettel mit auf den Weg gegeben haben. Merkzettel 1: Das glänzende Wahlergebnis ist gleichwohl ein paar Punkte weniger gut als das letzte. Es zeugt von einem feinen Gespür der Delegierten, dass sie Merkel genau so viel Rückendeckung gaben, dass man von einem Vertrauensbeweis sprechen kann, was die Kanzlerin dann ja auch tat. Gleichzeitig aber waren es allerdings auch so viele Stimmen weniger, dass darin der Unmut über die Leistungen der Regierung Merkel zu erkennen ist. Merkzettel 2: Ihr wichtigster Stellvertreter ist nun ihr Umweltminister Norbert Röttgen. Der neue Landesvorsitzende der NRW-CDU erhielt von den Delegierten das beste Ergebnis aller Stellvertreter. Und er kam mit über 88 Prozent der Stimmen sehr nah an die Zustimmung zu seiner Vorsitzenden heran. Auch das ist ein Signal der Delegierten: Nach dem Abgang der alten Garde Rüttgers - der nie so viel Rückendeckung in der Bundes-CDU hatte wie Röttgen -, Oettinger, Wulff und Koch aus der CDU-Spitze gibt es einen neuen mächtigen Vize. Es ist kein Geheimnis, dass sich Röttgen in NRW durchgesetzt hat, obwohl Merkel und ihr engstes Umfeld eine andere Lösung bevorzugten und daraus hinter den Kulissen auch kein Hehl machten. Das und die Tatsache, dass Röttgen den mit Abstand stärksten CDU-Landesverband führt, macht ihn von heute an zum zweiten Mann an der Spitze der Union. Merkzettel 3: Die Partei vermisst Identität und konservative Führung in Regierung und Union. Nirgendwo war der Beifall für die Kanzlerin so stark wie an jenen Stellen, an denen sie die Seele der Partei streichelte: Schwarz-Grün oder Jamaika? "Illusionen, Hirngespinste." Opposition? "Macht Mist." Zum "C" will sie stehen, die Familie ist wieder die "Keimzelle der Gesellschaft", der Papst die Kraft für Freiheit, Zuwanderung in Sozialsysteme unerwünscht. Das alles lässt die sich heimatlos fühlenden konservativen Herzen in der Union höher schlagen. Aber reicht das auch, um die CDU aus dem Tal der 31-Prozent-Umfrageergebnisse herauszuführen? Keine Frage: Merkel geht gestärkt aus dem Parteitag hervor. Wie nachhaltig diese Stärkung ist, wird sich indes erst im Frühjahr zeigen. Dann wählt Baden-Württemberg. Und dann erst wird man sehen, was das Merkel-Ergebnis von gestern wert ist.
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