Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Hartz-IV-Verhandlungen wieder aufgenommen Die Fackel der Vernunft ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Zum Glück hat der Ministerpräsident Kurt Beck Ende März Landtagswahlen. Und zum Glück hat der Sozialdemokrat einen guten Draht zu den Unions-Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer und Horst Seehofer. Es ist der Initiative von Kurt Beck zu verdanken, dass nach dem unsäglichen Berliner Polittheater zu Hartz -IV die Tür zur Vernunft wieder ein Spalt offen ist. Einstimmig sind die Ministerpräsidenten im Bundesrat Becks Vorschlag gefolgt und haben grünes Licht für weitere Verhandlungen gegeben. Damit im weiteren Prozedere nicht wieder das parteipolitisch kleine Karo die dringend erforderliche Verbesserung für 4,7 Millionen Hartz-IV-Bezieher und 2,5 Millionen bedürftige Kinder behindert, ist nun auf allen Seiten neues Denken gefordert. Kurt Beck warnte davor, "die Verhandlungen zu überfrachten." Dieser Appell richtet sich an die eigenen Reihen, an SPD und Grüne. Wer etwa meint, dass die gleiche Bezahlung von Zeitarbeitnehmern und Stammbelegschaft wichtiger ist als die Finanzierung von warmen Mittagessen für arme Kinder, hat nichts verstanden. Und Horst Seehofer von der CSU hat an seine Leute plädiert, "Grundvertrauen" in die andere Seite zu haben. Wer meint, die anderen mit vollendeten Tatsachen überrumpeln zu können, ist ebenfalls fehl am Platz. Dass es neue Verhandlungen gibt, heißt nicht, dass es auch bald ein Ergebnis gibt. Aber die Chancen dafür stehen besser, seitdem sich die Ministerpräsidenten eingeklinkt haben. Offenbar haben sie ein feineres Gespür für die Menschen als die Berliner Parteipolitiker unter ihrer Käseglocke. Vor allem wissen Kurt Beck und Wolfgang Böhmer dass es zum Beispiel der Wahlbeteiligung in ihren Ländern nicht gut bekäme, wenn die Politik weiterhin lustvoll Schaukämpfe zelebrierte. Die Ministerpräsidenten haben zudem mittlerweile eifrig nachgerechnet. Wenn einige Stellschrauben noch etwas präziser justiert werden, und den Kommunen etwa eine Ist-Abrechnung bei den Bildungspaketen für Kinder zugebilligt wird, dann wäre eine Ablehnung kaum zu verantworten. Schließlich hat sich der Bund zu einigen wichtigen Zugeständnissen durchgerungen. Dass die Grundsicherung im Alter bis 2014 zu hundert Prozent vom Bund übernommen werden soll, entspricht einer alten Forderung der Städte und Gemeinden. In den gegenwärtig knappen Zeiten schlägt man so etwas nicht leichtfertig aus. Schwarz-Gelb möchte offenbar an der Höhe des Regelsatzes nicht mehr herumschrauben - dafür aber soll über eine Mobilitätszulage und ein Sonderbedarf bei Großgeräten verhandelt werden. Selbst wenn der Regelsatz nur um fünf Euro steigt, kämen diese Zuschläge im Bedarfsfall noch oben drauf. Auch hier wäre es verbohrt, aus Prinzipienreiterei nein zu sagen. Beck und Seehofer haben die Verhandlungen wieder angeschoben - ihre Aufgabe besteht nun darin, die Fackel der Vernunft in den eigenen Reihen weiterzureichen. Die Gespräche über die Hartz-IV-Reform in den vergangenen Wochen hat der Politik schwer geschadet. Das kann nur halbwegs wieder ausgebügelt werden, wenn es mit der parteipolitischen Erbsenzählerei ein Ende hat.
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