Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Streit um Brennelemente belastet NRW-Regierung Unfrohe Ostern PETER JANSEN, DÜSSELDORF
Bielefeld (ots)
Endlich Ostern, denken sich viele Mitglieder der rot-grünen Minderheitsregierung in NRW, packen ihre Akten zusammen und verabschieden sich in den Urlaub. Doch so unbeschwert, wie es noch bis vor wenigen Tagen aussah, wird die Urlaubsfreude nicht sein. Zwar kann das Gespenst Neuwahl, das seit Karneval für laute Zustimmung und klammheimliche Angst sorgte, im Moment niemanden mehr erschrecken. Aber der Streit um den Verbleib von Brennelementkugeln aus dem stillgelegten Forschungsreaktor Jülich und die zumindest höchst ungeschickte Öffentlichkeitsarbeit von Wissenschaftsministerin Svenja Schulze bringen nicht nur die Ressortchefin, sondern auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) in Bedrängnis. Schulzes Berufung zur Ministerin hatte für Verwunderung und Kopfschütteln gesorgt. Die Beförderung der Unternehmensberaterin wurde eher auf den Regionalproporz und den Wunsch nach einem Gleichgewicht der Geschlechter im Kabinett zurückgeführt als auf ihre Qualifikation für die Leitung eines Ministeriums. Wenn es Schulze nicht gelingt, den Verdacht zweifelsfrei auszuräumen, sie habe die Antwort zu den Atomkugeln bewusst geändert, um nach Fukushima die Atomangst weiter zu schüren, gerät das Ende ihrer Amtszeit in Sichtweite. Die Auseinandersetzung um Ministerin Schulze trifft die rot-grüne Regierung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Knapp ein Jahr nach der Landtagswahl schien in Düsseldorf so etwas wie Routine einzuziehen. Zwar fehlt SPD und Grünen nach wie vor eine Stimme, um aus eigener Kraft Gesetze zu verabschieden und einen Haushalt zu beschließen. Aber die elf Abgeordneten der Linken haben sich zu zuverlässigen Stützen der rot-grünen Minderheitskoalition entwickelt. Ihre Hilfe ging sogar so weit, dass die Linke zwar mit allen anderen Fraktionen für eine lückenlose Aufklärung der Atomaffäre stimmte, sich aber gemeinsam mit SPD und Grünen gegen die berechtigte Forderung wandte, aus dem Durcheinander Konsequenzen zu ziehen. Im Brennpunkt des Streits stehen zwei Minister, die ohnehin als die Schwachstellen der Regierung gelten: neben Schulze der für Wirtschaft und vieles andere zuständige Harry Voigtsberger, ebenfalls SPD. Obwohl für die Atomaufsicht verantwortlich, ist nicht zu erkennen, was er zur Aufklärung beiträgt. Und in der Wirtschaftspolitik wird er nicht müde, den stabilen Aufschwung zu preisen, um dann erschreckt innezuhalten, weil Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) mit der gestörten Wirtschaftslage die anhaltend überhöhte Neuverschuldung rechtfertigen will. Aus der Debatte über Neuwahlen, die wochenlang die Politik beschäftigte, schien die Luft raus. Nach den Wahlen im Südwesten und jüngsten Umfragen konnten nur die Grünen große Erfolge erwarten. Eine Garantie, dass nicht doch vor 2015 gewählt wird, gibt es freilich nicht. Eine angezählte Ministerin, eine angeschlagene Regierung könnten der Opposition Mut und Beine machen.
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