Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Papstbesuch Zuhören und nachdenken lohnt STEFAN KÜPPER, ROM
Bielefeld (ots)
Vielleicht ist das wirklich sein letzter Besuch hier. Der Papst ist schließlich 84 Jahre alt. Seine Aufgaben sind fordernd. Vielleicht kommt er auch wieder. Wer weiß das schon? Benedikt XVI. ist schließlich bei guter Gesundheit. So oder so aber bleibt sein Besuch eine sehr seltene Gelegenheit, sich auf einen besonderen Menschen einzulassen. So gut es halt geht, so gut man halt kann. Nicht wenigen wird als Begegnung ein Handyfoto reichen. Motiv: Papst im Papamobil vor Menschenmenge. Manche Gläubige werden ihm etwas näher kommen wollen, zum Beispiel im Berliner Olympiastadion oder während der Vigil auf dem Freiburger Messegelände. Manche werden mit ihm beten wollen. Manche werden mit Abscheu weggucken und gegen seine Anwesenheit protestieren. Wieder andere werden mit ihm voller Erwartungen in Dialog treten wollen, so wie die Vertreter der evangelischen Kirche. Helmut Kohl trifft ihn, man staunt, persönlich. So mancher Bundestagsabgeordnete möchte ihm dagegen nicht mal zuhören. Zum Boykott, der Diskursunfähigkeit und dem schlechten Benehmen jener Volksvertreter ist eigentlich alles gesagt. Es bleibt nur die Verwunderung darüber, dass die wichtigste aller Gastgeberpflichten anscheinend längst nicht jedem geläufig ist. Ein guter Gastgeber hört vor allem anderen seinem geladenen Gast doch zu. Und dafür wird ausreichend Gelegenheit sein. Wenn man sich denn interessiert. 17 Reden hält Benedikt XVI. bei den verschiedenen Stationen seines Besuchs. Sie werden inhaltlich verbunden sein. In aller Regel hat dieser Papst vieles zu sagen, auch vieles Feinsinniges, was sich kaum in eine Schlagzeile pressen lässt. Wer nicht glaubt, könnte immer noch - quasi als geistigem Anreiz - der Argumentation eines intellektuellen Theologieprofessors folgen. Das Motiv der Reise, die Hauptbotschaft, ist lange bekannt: "Wo Gott ist, da ist Zukunft." So plakativ muss es bei einem solcherart inszenierten Großereignis anscheinend zugehen. Das Zuhören wird einem bei all dem Drumherum, all der Aufregung, den Vorbereitungen, all dem Gewese, den Eitelkeiten, den berechtigten Erwartungen und überzogenen Ansprüchen auch schwer gemacht. Heute Nachmittag kommt der Papst in den Reichstag. Er folgt der Einladung des Bundestagspräsidenten. Benedikt XVI. wird seine mit besonderer Spannung erwartete erste große Rede halten. Da sein Besuch dort aber die uralte Diskussion über das Verhältnis von Staat und Kirche angeregt hat, soll hier noch einmal an das altbekannte Diktum des Verfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde erinnert werden. "Der freiheitliche, säkularisierte Rechtsstaat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann." Auch diese Ansicht muss man nicht teilen. Und man muss nicht einmal der Meinung sein, dass deshalb Kirchen und Religionen als Wertestifter in Gemeinwesen besonderer Förderung bedürfen. Aber es lohnt sich zuweilen, über ihn nachzudenken.
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