Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Islamisten feiern sich als Sieger der Wahlen in Tunesien Tunesien: Gottesstaat? RALPH SCHULZE
Bielefeld (ots)
Die erste freie Wahl nach der Revolution in Tunesien dürfte Signalwirkung haben. Der sich abzeichnende Sieg der Islamisten zeigt, wohin die Reise in den Ländern des "arabischen Frühlings" geht. In Richtung islamische Staatsgebilde, in denen die Religion größeren Einfluss als bisher auf die Politik haben wird. Und in denen die Scharia, das islamische Recht, sich in die Quelle der Rechtsprechung verwandeln wird. Das deutet sich nicht nur in Tunesien an, wo gerade über die verfassunggebende Versammlung abgestimmt wurde, welche die Weichen für die Zukunft des Staates stellen soll. Sondern genauso in Libyen und Ägypten, wo islamische Strömungen bei den versprochenen und noch ausstehenden demokratischen Wahlen ebenfalls ein wichtiger Faktor sein werden. Eine Überraschung ist der Aufstieg der Islamisten in Tunesien nicht,in einem Staat, in dem sich 99 Prozent der Bevölkerung zum islamischen Glauben bekennen und in dem der verjagte Diktator Ben Ali nicht nur Freiheit und Menschenrechte, sondern auch die Grundprinzipien der Religion mit Füßen getreten hatte. Nun liegt es an den künftigen Tonangebern in Tunesien, zu beweisen, dass die Sorge vor einer Radikalisierung oder sogar vor einem Gottesstaat auf der anderen Seite des Mittelmeers unbegründet ist. Immerhin entspringen die neuen Machtverhältnisse in Tunesien jenem Volkswillen, den Europa so euphorisch als Revolution gefeiert hatte.
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