Neue Westfälische (Bielefeld): Eröffnung der Ostsee-Pipeline Geben und Nehmen WOLFGANG MULKE, BERLIN
Bielefeld (ots)
Erdgas wird so dringend benötigt wie nie zuvor. Kein anderer Energieträger verzeichnete in den letzten Jahren ein so starkes Verbrauchswachstum. Der Bedarf wird auch wegen des Atomausstiegs weiter zunehmen. Das könnte den Förderländern eine höchst komfortable Lage bescheren, mit hohen Preisen und sicheren Absatzperspektiven. Der Wettbewerb um die Versorgungssicherheit in den nächsten Jahrzehnten ist deshalb in vollem Gange. Mit der neuen Ostsee-Pipeline verfügt Europa nun über einen direkten Transportweg für russisches Erdgas. Strategisch ist das ein großer Vorteil. Die Sorge vor einer zu großen Abhängigkeit von Russland ist unbegründet. Das wäre der Fall, wenn es dort alternative Großkunden gäbe und die Käufer gegeneinander ausgespielt werden könnten. Doch mit einem wachsenden Angebot an Gas, auch aus anderen Ländern oder aus neu erschlossenen Quellen bildet sich ein Gegengewicht. Lange hatte Gazprom auf die Chinesen als rohstoffhungrigen Kunden gehofft. Aber diese Rechnung geht nicht auf, weil China vermehrt eigene Vorkommen ausbeuten kann. Das Interesse an stabilen Lieferbeziehungen ist auf beiden Seiten gegeben. Russland braucht die Einnahmen von Gazprom, weil damit der Staatshaushalt maßgeblich finanziert wird. Europa ist immer mehr auf Zulieferungen angewiesen, weil der Verbrauch wächst und sich die eigenen Gasvorkommen allmählich leeren. Dieses Geben und Nehmen ist für beide Seiten ein Gewinn. Mittelfristig können die Gaskunden sogar mit leicht fallenden Preisen rechnen. Allerdings zeigt die Kurve erst einmal kräftig nach oben. Doch in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wird ein Überangebot auf dem Markt sein und die Förderunternehmen zu Nachlässen zwingen. Das wäre erst recht der Fall, wenn die weiteren Riesenpipelines gebaut werden, die derzeit nur auf dem Papier stehen.
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