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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar SPD präsentiert sich mit neuem Selbstbewusstsein Partei im Aufbruch THOMAS SEIM, BERLIN

Bielefeld (ots)

Es gab schon schlechtere Zeiten für die deutsche Sozialdemokratie. Die sind noch nicht so lange her. Vor zwei Jahren war das, nach dem Desaster eines Bundestagswahlergebnisses mit gut 23 Prozent. Damals schien es, als habe die SPD ihre Zukunft hinter sich. Eine Partei, zerrissen über den Streit um Schröders Agenda 2010, weit entfernt von ihrer Kernwählerschaft, von den Gewerkschaften, umringt von konkurrierenden Politikangeboten aus Union, Grünen und Linkspartei, die nirgendwo originären Platz zu lassen schienen für die 148 Jahre alte deutsche Sozialdemokratie. So viel kann der mit einem sehr guten Ergebnis wiedergewählte Parteichef Sigmar Gabriel für sich in Anspruch nehmen: dass er die Lethargie der Sozialdemokraten aufgelöst hat. Der Berliner Parteitag wird in die SPD-Geschichte eingehen als der gelungene Versuch, die Identität der Partei neu zu definieren, sie auszusöhnen mit ihrer wechselvollen jüngeren Vergangenheit. Das ist sicher mehr, als zu erwarten war. Gerade dass sich Helmut Schmidt mit sehr persönlichen Einlassungen und Angriffen auf den politischen Gegner in die Mitte seiner Partei begab, darf als besondere Etappe der SPD auf dem Weg zu neuer Stärke betrachtet werden. Der Jubel über die neue Einheit der Partei scheint allerdings den Blick auf die tatsächliche, nicht sehr komfortable Lage der SPD im politischen Alltag zu verstellen. Ja, sie ist nach acht Wahlen zurück in die jeweiligen Landesregierungen gekommen. Aber: Bis auf Hamburg hat sie nirgendwo auch nur annähernd alte Stärke wiedergefunden. Im Gegenteil: In Baden-Württemberg musste sie den Grünen die Regierungsführung überlassen, in NRW reichte es nur für eine Minderheitsregierung, in Rheinland-Pfalz verlor Kurt Beck die absolute Mehrheit, in Berlin blieb Klaus Wowereit unter 30 Prozent. Einzig Olaf Scholz in Hamburg erinnerte mit seiner absoluten Mehrheit an alte Erfolge der Sozialdemokratie. Ja, das Programm der neuen SPD fand ordentliche, auch flügelübergreifende Mehrheiten. Aber: Die teilweise Abwendung von Schröders Agenda 2010, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Debatte um Veränderungen der Unternehmenssteuer rückt die SPD wieder nach links. Ob aber dort, in der neuen linken Mitte, tatsächlich auch die politische Mehrheit für die Wahl 2013 liegt, ist keineswegs sicher. Dass Gabriel es sich nicht verkniff, den als Gast geladenen Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt persönlich zu attackieren, wird die Akzeptanz der SPD in der Wirtschaft nicht befördern. Immerhin darf sich Gabriel zurechnen lassen, dass von Berlin für die kommenden zwei Jahre das Signal der Geschlossenheit der SPD ausgeht. Trotz aller Rangeleien um die Kanzlerkandidatur. Vorerst. Denn auch dies hat der Parteitag mit seinen Wahlergebnissen gezeigt: Hinter der Männer-Troika Gabriel, Steinmeier, Steinbrück lauert schon die neue starke Figur der SPD: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erzielte mit über 97 Prozent der Stimmen ein Traumergebnis.

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