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Neue Westfälische (Bielefeld): Immer mehr Gesetze sollen unser Zusammenleben regeln Die Verbote-Republik STEFAN BRAMS

Bielefeld (ots)

Im US-Bundesstaat Florida dürfen Kinder und Jugendliche ohne schriftliche Erlaubnis ihrer Eltern keine Harry-Potter-Bücher aus Schulbibliotheken entleihen. In Tasmanien (Australien) ist es Männern verboten, in der Zeit zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang Frauenkleider zu tragen. Und auf der italienischen Insel Capri darf das Klappern von Holzlatschen die Idylle nicht stören - weshalb sie verboten sind. Drei Beispiele aus drei Ländern, die belegen, dass wir Menschen offenkundig weltweit dazu neigen, unser privates Leben durch Verbote - und seien diese noch so absurd - vom Staat einschränken zu lassen. Und auch hierzulande kamen nach den diversen Verboten und Regelungen der vergangenen Jahre wie Rauchverbot, Winterbereifungspflicht, Helmpflicht für Radfahrer - selbst eine für Fußgänger war bereits im Gespräch - allein in dieser Woche wieder zwei neue Vorschläge auf den Tisch, unser Leben noch weiter mit Verboten und Gesetzen zu umstellen. Auf den Vorstoß vom Mittwoch, den Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen zu verbieten, folgte am Freitag die Attacke der Unternehmerverbände auf die Raucherpausen in Unternehmen. Verwundert reibt man sich die Augen und fragt sich, was mag wohl als nächstes kommen auf dem Weg in die Verbote-Republik? Etwa eine Gesetz, wie es die Bürger in Wyoming (USA) kennen, dem gemäß Frauen in Bars einen Mindestabstand von 1,50 Meter zum Tresen einhalten müssen? Oder das in den USA ebenfalls weit verbreitete Verbot, Alkohol sichtbar im Auto zu transportieren? Oder ein Kaugummi-Verbot wie in Singapur, damit die Gehsteige schön sauber bleiben? Nein, wir brauchen nicht noch mehr staatliche Eingriffe in unser Zusammenleben. Es gibt hierzulande bereits mehr als genug Verordnungen, Gesetze und Regelungen um Auswüchsen und Grenzüberschreitungen durch Einzelne oder Gruppen zu begegnen, da müssen keine weiteren staatlichen Verbote her, die die vernunftvoll agierende Mehrheit gleich mitbestrafen. Freiheitliche Gesellschaften zeichnet eben auch aus, dass das private Zusammenleben nicht bis in jede Regung hinein durch Gesetze geregelt wird. Menschen sind durchaus in der Lage, Dinge wie Raucherpausen im Betrieb, um nur ein Beispiel zu nennen, selbst zu regeln. Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat es einst auf den Punkt gebracht: "Es ist häufig Bequemlichkeit und Furcht vor der eigenen Verantwortung, ja letztlich Furcht vor der Freiheit, die Menschen nach neuen Gesetzen rufen lässt." Aber je mehr Lebensbereiche "durchnormiert" werden, so Papier, desto mehr würden gerade diese Werte als Grundlage der persönlichen Entfaltung des Einzelnen erstickt. Recht hat der Top-Jurist. So umfasste allein im Jahr 2009 das Bundesrecht 1.924 Gesetze und 3.440 Verordnungen mit insgesamt 76.382 Artikeln und Paragraphen. Wie heißt es schon in Goethes "Faust": "Es erheben sich Gesetz' und Rechte / Wie eine ew'ge Krankheit fort." Es ist an der Zeit, umzusteuern.

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