Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR: Was will der neue Präsident?
Bielefeld (ots)
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Was will der neue Präsident? Gauck-Republik Deutschland THOMAS SEIM
Vier von fünf Bundesbürgern halten es für richtig, dass kein Politiker den Berliner Amtssitz des Staatsoberhauptes bezieht. Mehr als jeder zweite freut sich, dass Joachim Gauck der neue erste Bürger des Staates wird. Was macht den künftigen Bundespräsidenten so beliebt? Sicher gilt Gauck wegen seiner Vita in der Ex-DDR, als ehemaliger Pfarrer und langjähriger Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde als integrer Mann. Er steht für Redekunst und Bürgernähe. Das sind gute Voraussetzungen, diese Republik zu repräsentieren und ihr zu neuem Inhalt zu verhelfen, wo die amtierenden Politiker sich im Management der Macht verlieren. Profiliert hat sich der Konsenskandidat gegen die etablierte Politik, gleich welcher Couleur. Manche nennen ihn einen linken Konservativen, andere sehen ihn ihm einen kaltherzigen Kandidaten. Tatsächlich wird Gauck keinen der amtierenden Politiker künftig ruhig schlafen lassen. Es schwäche die Schwachen, wenn man nichts mehr von ihnen erwarte - so lautet etwa einer der Leitsätze Gaucks. Das klingt sehr nach der Agenda 2010 Gerhard Schröders. Die hat die SPD, deren Kandidat Gauck ist, allerdings gerade begraben. Sie wird sich auf einen Präsidenten einstellen müssen, der sie wieder hervorholt. Den Sozialdemokraten wird dafür gefallen, dass auch der Satz Gaucks überliefert ist, höhere Steuern dürften kein Tabu sein. Wie damit die Präsidentenmacher- und Steuersenkungs-Partei FDP umgehen wird, vermag man sich nicht recht vorzustellen. Die "Occupy-Bewegung" gegen den Börsen-Poker der Wallstreet nannte Gauck unsäglich albern. Den Protest gegen Stuttgart 21 verglich er mit dem Kampf von Kleinbürgern um den eigenen Vorgarten. Das nehmen ihm Grüne übel. Das Schröder-Lob vergrätzt die Union. Schließlich auch dies: Gauck hält Sarrazin für einen mutigen Mann, von dem die Politik lernen könne, dass ihre Sprache als Verschleierung ankomme. Der neue Präsident wird ein Anti-Politiker sein. Das macht ihn so beliebt. Unsere neue Gauck-Republik wird vielen viel abverlangen, auch jenen, die ihn nun gemeinsam vorgeschlagen haben. Genau das mag die Stärke des neuen designierten Staatsoberhauptes sein. Es könnte darin aber auch das Risiko seines Scheiterns liegen.
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