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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Deutsch-russische Beziehungen bleiben stabil Ungenutztes Potenzial GEORG LÖWEN

Bielefeld (ots)

Die Wahlforscher sagen einen Sieg von Wladimir Putin bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag in Russland vorher. Für die deutsch-russischen Beziehungen bedeutet das Stabilität. Das ist das Positive. Um die Erdöl- und Gaslieferungen aus Russland muss man sich hierzulande keine Sorgen machen. Denn die deutsche Zahlungsmoral macht auch den Russen keine Sorgen. Und das Geld brauchen sie nicht minder als die Deutschen das Gas. Eher dringender. Russland hat sonst nicht viele nennenswerte Einkommensquellen auf dem Weltmarkt. Außerdem will es in dem europäischen Gasversorgungsnetz - in dem deutschen besonders gern - Fuß fassen. Hier ist sehr viel Geld zu verdienen. Es ist wichtig, dies im Auge zu behalten. Putin sieht sein eigenes Land vom Westen bedroht. Er begründete kürzlich in der Zeitung "Rossijskaja Gaseta" das größte Programm zur Aufrüstung der russischen Streitkräfte seit dem Zerfall der Sowjetunion damit, dass "der Westen sich nicht scheut, sich in die Angelegenheiten der souveränen Staaten einzumischen. Und die Konkurrenten können Russland überfallen, um Besitz von unseren riesigen Naturschätzen zu ergreifen." Die vermeintlichen Begehrlichkeiten des Westens versteht Putin übrigens als durchaus verständlich. Er, der Krösus der heutigen Zeit, sieht sich als Beschützer des Rohstoffreichtums seines Landes. Gleichzeitig strebt er eine Expansion gen Westen an. Seine Truppe ist Gazprom, seine Waffe das Kapital aus Öl- und Gasexporten. Es sind nicht nur Putins wirtschaftliche, sondern auch seine politischen Instrumente. Putins Versuche, die Interessen der EU-Länder gegeneinander auszuspielen, indem er zum Beispiel der deutschen Kanzlerin privilegierte Extraverträge anbietet, mahnen die Europäer zur Wachsamkeit. Auch beobachtet er genau, wie sich die Gaslieferungsstopps als Druckmittel gegen die Osteuropäer auf das Empfinden des Westens auswirken. Sein Eindruck muss wohl sein, dass besonders bei den Deutschen äußerste Vorsicht im Umgang mit Russland, ja vielleicht sogar eine gewisse Ängstlichkeit festzustellen ist. Manche westliche - auch deutsche - Politiker reden mit ihm schon ungern über die Menschenrechte in Russland. Sie wagen es auch nicht, die Legitimation seiner Präsidentschaftswahl allzu laut in Zweifel zu ziehen. Auch die russische Iran- und Syrienpolitik ruft im Westen kaum Widerstand hervor. Putin sieht nicht nur sein Land in ständiger Gefahr, sondern fühlt sich oft auch persönlich angegriffen. Vor allem von westlichen Journalisten. Da antwortet er auch schon mal vorlaut. Die kritischen Journalisten in seinem eigenen Land haben Schlimmeres zu befürchten. Deshalb kann sich Europa nicht wirklich über die Stabilität und Kontinuität der Zusammenarbeit mit Russland freuen. Denn das Potenzial der europäisch- und deutsch-russischen Beziehungen bleibt bei weitem nicht ausgeschöpft. Ein demokratisches Russland als EU-Mitglied wäre ein unvorstellbarer Gewinn für beide Seiten. Als NATO-Mitglied wäre Russland ein wesentlicher Stabilitätsfaktor für die Welt. Mit Präsident Putin aber ist das alles nicht realisierbar.

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