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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR NRW und der Bund Die Kleinen machen die Wahl spannend ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Bielefeld (ots)

Dass es nun auch Wahlen in Nordrhein-Westfalen gibt, elektrisiert die Politik in Berlin. Kein Wunder, Wahlen in Düsseldorf haben die Bundesebene oft nachhaltig beeinflusst. Erstmals schloss 1995 ein SPD-Ministerpräsident (Johannes Rau) am Rhein ein Bündnis mit den Grünen. 1998 kam dann die Zeit für die erste rot-grüne Koalition im Bund. Ist es nun wieder Zeit für ganz neue Konstellationen? Wohl eher nicht. Die Grünen werden sich von den Sirenen-rufen des Bundesumweltministers vermutlich nicht locken lassen. Schon gar nicht, wenn Norbert Röttgen nur halb bei der Sache ist und bei einer Niederlage auf seine Rückkehr an den Merkel'schen Kabinettstisch spekuliert. Das größte Bundesland verdient einen Einsatz mit Haut und Haar, ganz ohne Rückfahrschein. Die Wahl in NRW wird für den Bund besonders spannend wegen der kleinen Parteien. Kommen die Piraten erstmals in einem Flächenland ins Parlament, dürften sie 2013 auch den Bundestag entern. Den jungen Freibeutern gehört die Zukunft, während sie die Linkspartei und die FDP hinter sich haben. Scheitert die Linke in NRW, wäre das eine Schlappe für Oskar Lafontaine. Denn die ideologisch verengte NRW-Linke ist ganz nach seinem Geschmack. Bei der FDP geht es um alles oder nichts. Schafft sie in NRW die Fünf-Prozent-Hürde nicht, wird es in Berlin augenfällig: Merkel schleppt einen politischen Leichnam mit. Eine Partei, die kaum noch existiert, aber mit ihren letzten Zuckungen noch vieles Sinnvolle zu verhindern sucht und Schwarz-Gelb an den Rand der innenpolitischen Bewegungsunfähigkeit treiben wird: Eine Einigung über die Finanztransaktionssteuer, über die Vorratsdatenspeicherung, über den Mindestlohn und die Frauenquote wird es bis 2013 nicht mehr geben. Solange die ideologisch aufgeladene FDP gesellschaftliche Entwicklungen ignoriert, wird sie keinen Blumentopf mehr gewinnen. Die Liberalen gerieren sich als ein Häuflein der letzten Aufrechten, aber die Gesellschaft ist ihnen weit enteilt. FDP-Chef Rösler hat einst als Teil der "Boygroup" mit Daniel Bahr und Christian Lindner über den "mitfühlenden Liberalismus" schöne Texte geschrieben, aber alle drei sind nicht in der Lage, aus diesen Einsichten eine politische Strategie zu entwerfen. Die Hoffnungen ruhen nun noch auf Rainer Brüderle - zu Recht. Brüderle ist ein erfahrener Haudegen und ein Machtpolitiker. Leichtfertig wird er die FDP nicht ins Aus treiben. Ihm ist als Einzigem in der FDP-Spitze eine pragmatische Politik zuzutrauen. Die Union muss um neue Koalitionspartner werben. Auf die Liberalen kann sie nicht bauen. Dass die Union mit den Grünen noch keine besseren Beziehungen aufgebaut hat, dürfte beiden Parteien irgendwann auf die Füße fallen. Für rot-grünes Triumphgeheul gibt es keinen Anlass. Es könnte sein, dass der Einzug der Piraten 2013 im Bund eine rot-grüne Mehrheit verhindern wird. Dann bliebe wieder nur eine große Koalition möglich, mit der die SPD schlechte Erfahrungen gemacht hat - falls die SPD im Bund wieder Juniorpartner der Union wird. Davon ist auszugehen - falls nicht die NRW-Wahl der SPD einen zusätzlichen Motivations- und Ansehensschub verschafft. 2013 wäre vielleicht auch eine Koalition aus Rot, Grün und der FDP denkbar. Solche Überlegungen wabern seit einiger Zeit schon durch Berlin. Aber für eine Ampel müsste die FDP dann endlich auch wieder zeigen, dass sie politik-, kompromiss- und regierungsfähig ist. Und sie müsste überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und in den Bundestag gelangen. Ohne eine personelle und inhaltliche Erneuerung ist das aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.

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